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Olympia vergoldet Müll

■ Naganos Umweltschützer fürchten illegale Giftmüllentsorgung japanischer Mafiabanden

Nagano (taz) – Im Zentrum von Nagano trägt jede Bar einen von der Polizei verordneten Aufkleber am Eingang. Darauf steht in japanisch: „Alle vereint gegen das organisierte Verbrechen“. Der Kampf gegen die Verbrecherbanden, die hier Yakuza heißen, ist jedoch nur oberflächlich. „Jeder Polizist, der in Nagano patrouilliert, weiß, daß die Yakuza den größten Teil des Vergnügungsgeschäfts in dieser Stadt kontrollieren“, sagt Raisuke Miyawaki, der ehemalige Chef der nationalen Polizei und Experte für organisiertes Verbrechen in Tokio.

In Nagano ist es besonders lukrativ, Prostituierte an in- und ausländische Freier zu verhökern. Schließlich liegt das Schutzalter hier mit 13 Jahren wohl weltweit am niedrigsten. Doch die Yakuza verdienen nur noch ein Drittel ihres Jahreseinkommens von geschätzten 80 Milliarden Mark mit dem Mizu-Shobai – dem Wassergeschäft. Als solches gelten Bars, Hostess-Clubs, Bordelle und die Glücksspielsäle Pachinko.

Mittlerweile haben die Paten diversifiziert. Neben der Immobilienspekulation und der Erpressung börsennotierter Firmen wurde die illegale Entsorgung von Sondermüll aus der Bau- und Chemieindustrie zu einer Haupteinnahmequelle. In diesem lukrativen Geschäft sind die Transport- und Baufirmen mit Yakuza-Verbindungen am aktivsten. Nachdem die aus den 70er Jahren stammenden Sondermülldeponien im ganzen Land mittlerweile voll sind und umweltbewußte Anrainer die Einrichtung neuer verzögern, suchen immer mehr Firmen nach Alternativen. Ein oft beschrittener Weg ist die illegale Entsorgung in den abgelegenen Bergen an der Ostküste.

Mit den für die Olympischen Spiele gebauten Schnellstraßen nach Nagano haben die Mafiabanden auch die unberührten Wälder in der Umgebung der Olympiastadt als neue Giftmülldeponien entdeckt. Von der Bürgerinitiative für den Schutz der Bergwälder in Nagano gesammelt Daten zeigen, daß in den letzten zwei Jahren mehr als 30 illegale Deponien in der Region entstanden. In vier inzwischen aufgeklärten Fällen seien Firmen mit Yakuza-Verbindungen verwickelt, sagt eine Sprecherin der Bewegung. Auf den neuen Straßen nach Nagano braucht ein illegaler Transport von Tokio aus nur acht Stunden. Für die örtliche Polizei ist es schwierig, die Täter mittels Hinweisen aus der Bevölkerung zu finden. Doch die Polizei in Nagano verweigerte sogar jegliche Auskunft zu dem Thema.

Hitoshi Yamada, Rechtsanwalt in Tokio und Spezialist für organisiertes Verbrechen, erstaunen die Funde der Umweltschützer nicht. „Das Giftmüllgeschäft ist heute so lukrativ wie der Drogenhandel“, meint Yamada. Die Yakuza nützten ihre jahrzehntealten Verbindungen zum Transport- und Bausektor, um schnell neue, unbekannte Gebiete zu erkunden und dann den Müll unbemerkt zu deponieren. Yamada schätzt, daß dieses Geschäft der Yakuza jährlich bereits über zwei Milliarden Mark einbringt. Für die Dauer der Olympischen Spiele hatten die untereinander verfeindeten Yakuza- Banden eigens einen Waffenstillstand für ihren blutigen Bandenkrieg verkündet. Während mit der Abschlußfeier der Winterspiele am Sonntag auch die Feuerpause endet, könnten die Giftmülltransporte in die Region bald neue Rekorde erreichen. André Kunz

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