: Inflation gegen soziale Ungleichheit getauscht
■ Argentinien koppelte 1991 seine Landeswährung an den Dollar. Argentinische Waren sind seitdem auf dem Weltmarkt zu teuer, Arbeitslosigkeit und Lebenshaltungskosten gestiegen
Buenos Aires (taz) – Mit dem Plan Cavallo, benannt nach dem damaligen Wirtschaftsminister Domingo Cavallo, hat Argentinien 1991 der Inflation den Garaus gemacht und die wirtschaftliche Stabilität wiederhergestellt. Vor 1991 konnte das Land mit Hyperinflationsraten und jährlichen Preissteigerungen von bis zu 100 Prozent aufwarten. Das hatte teilweise zur Folge, daß ein Brot am Vormittag weniger kostete als am Abend.
Das Kernstück des Plans von Wirtschaftsminister Cavallo zur Inflationsbekämpfung ist die Anbindung des argentinischen Peso an den US-Dollar. Begleitet wurde diese Konvertibilität mit einer rigorosen Strukturreform aus dem Handbuch des Neoliberalismus ohne die der Plan nicht funktionieren kann: Weltmarktöffnug, Rückzug des Staates aus der Wirtschaft, Verkauf von defizitären Staatsunternehmen. Ende 1996 wurde dann die stolze Botschaft vermeldet, daß die Inflationrate auf Null gesunken war.
Geschafft wurde dies mit einem Maßnahmenbündel, das die neue Währung stützen soll. So müssen die Bargeld- und Sichteinlagen (Festgeld und Girokonten) zu mindestens 67 Prozent durch Gold- und Devisenreserven abgesichert sein. In den letzten zwei Monaten des vergangenen Jahres betrugen die Gold- und Devisenreserven 22,4 Milliarden Dollar, womit die Bargeldmengen und die Sichteinlagen um mehr als 100 Prozent gesichert sind. Dadurch kann die Regierung nicht mehr einfach die Gelddruckpresse anschmeißen, um an Bares zu kommen. Außerdem verbietet ein Gesetz, daß die Zentralbank auch der Regierung Kredite gewährt. Handelt sie dem zuwider, wandert ihr Chef ins Gefängnis. Die Zentralbank ist außerdem unabhängig, kann aber auch keine Geldpolitik betreiben und Zinsen festlegen. Daher gelten in Argentinien die US-Zinsen plus einem Risikozuzuschlag. Um für unerwartete Krisenfälle gewappnet zu sein, hat Argentinien 1996 mit 16 internationalen Banken vereinbart, einen Sicherheitsfonds gegen Spekulationen gegen die Dollar- Peso-Konvertibilität einzurichten.
Im Nachbarland Brasilien wurde die Währung Real ebenfalls zur Inflationsbekämpfung an den Dollar gekoppelt. Allerdings wird der Real in regelmäßigen Abständen und mit vorheriger Ankündigung abgewertet. Hinzu kommt, daß Brasilien den Real nicht so fest mit Reserven gestützt hat wie Argentinien den Peso und der Staat sehr hoch bei den Banken in der Kreide steht.
Der starre Wechselkurs verteuert argentinische Produkte auf dem Weltmarkt, und der Export läuft daher nur schleppend. Die Überbewertung des Peso treibt die Preise für argentinische Produkte auf dem Weltmarkt in die Höhe. So krankt Argentinien stets an einem Haushaltsbilanzdefizit, das sich aber 1997 leicht verbessern konnte und auf 4,7 Milliarden Dollar sank. Das entspricht 1,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts und blieb unter der mit dem Internationalem Währungsfonds (IWF) vereinbarten Höchstgrenze. Statt dessen weißt das Land in der Leistungsbilanz, dem Außenhandelssaldo von Gütern- und Dienstleistungen, ein Defizit von 10 Milliarden Dollar auf. Das sind drei Prozent des BIP.
Weiter ließen die neoliberalen Rezepte Domingo Cavallos die Arbeitslosigkeit auf eine Höhe klettern, die sie selbst zu Zeiten der Hyperinflation nicht erreichte. 1991 waren in Argentinien 6,1 Prozent erwerbslos gemeldet, 1996 waren es bereits 17,6 und Mitte 1997 wurden noch 16,1 Prozent Arbeitslose gezählt. Dabei bedeutet arbeitslos sein in Argentinien, ohne Einkommen dazustehen. Eine weitere Folge der Dollar- Konvertibilität ist der Anstieg der Preise.
Die Lebenshaltungskosten in Buenos Aires sind so hoch wie in Hamburg oder München. Das Durchschnittseinkommen der Argentinier aber liegt derzeit nur bei ungefähr 650 Dollar. Ingo Malcher
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