: Böhse Onkelz nach Dienst
■ Militärseelsorger Immo Wache hilft Bundeswehrsoldaten in allen Lebenslagen
Bremens Kasernen haben seit 15 Wochen einen neuen Militärseelsorger. Pastor Immo Wache, zuvor Pfarrer der Bremer Kirchengemeinde Bockhorn, betreut für die nächsten sechs Jahre die Soldaten in Bremen, Garlstedt und Bremervörde. Eine seiner Hauptaufgaben: Lebenskundlicher Unterricht (LKU) für Soldaten in der Nachschubschule Grohn. Wir sprachen mit dem 36jährigen über seinen neuen Arbeitsplatz.
taz: Herr Wache, warum sind Sie Militärseelsorger geworden?
Immo Wache: Gereizt hat mich das Klientel. Männer zwischen 20 und 50 Jahren kommen in der zivilen Gemeinde selten vor. Außerdem ist die zivile Gemeinde eine Freizeitkirche. Und dann die Bildungsaufgabe. Soweit ich weiß, ist die Nachschubschule Grohn Deutschlands größte Bundeswehrschule. Circa 10.000 Soldaten absolvieren hier jährlich ihre Lehrgänge als Offiziersanwärter, Unteroffiziersanwärter und u.a. angehende Kraftfahrlehrer.
Und was machen Sie da?
Die Soldaten kommen mit ihren Themen zu mir. Mit Partnerschaftsproblemen zum Beispiel. Am Wochenende fahren die teilweise 1.500 Kilometer, um ihre Freundin zu sehen.
Wie oft haben Sie die Soldaten im Unterricht?
Normalerweise einmal wöchentlich für 2-3 Stunden. Die angehenden Kraftfahrlehrer begleite ich zu ihrem zweitägigen Lehrgang in Ahlhorn. Dann redet man oft bis spät in die Nacht.
Was lernen die Soldaten in der Nachschubschule?
Es gibt drei Gruppen. Das Kraftfahrwesen, die Nachschubtruppe und die Nachschubdienste, die die Logistik übernehmen - manchmal direkt vor einem Einsatz in Bosnien. Die Soldaten lernen z.B., einen Reifen an einem möglicherweise verminten Straßenrand zu wechseln. Im Unterricht fragen sie: „Was passiert mit meiner Familie, wenn ich sterbe?“Die Gespräche werden mit einer großen Ernsthaftigkeit geführt. Außerdem sind die Soldaten pünktlicher, höflicher und anständig gekleidet.
Ist das wichtig?
Ich finde das zumindest sehr angenehm.
Also haben Sie Ihren idealen Job gefunden?
Ich bereue keinen Tag hier. Das Erstaunlichste habe ich einmal während einer Übungsbegleitung an der Ostsee erlebt: Da kamen von den 180 Soldaten 150 in meinen Gottesdienst. Die Soldaten kommen auch unter der Woche in meinen Gottesdienst. Und wenn ich beim Fürbittengebet frage: „Wer kann aus der Bibel vorlesen?“dann melden sich bei mir immer welche.
Hören Sie rechtsextreme Äußerungen?
Nein. Hingegen kommt schon mal die verzweifelte Frage: „Darf ich heute eigentlich noch 'Rechts kehrt, Marsch!' sagen?“
Quatsch!
Klar, das hat einen ironischen Unterton. Oder einer fragt: „In der Freizeit höre ich die Böhsen Onkelz. Darf ich das?“Sie lachen! Aber daran sehen Sie, wie verunsichert manche sind. Rechtsextreme Äußerungen gab es in meinem Unterricht noch nicht. Natürlich werden für Arbeitslosigkeit und soziales Elend Sündenböcke gesucht: Die Ausländer, die Polen... Wie überall. Aber das wird sehr direkt und sehr kontrovers diskutiert. Die Bundeswehr ist ein Spiegelbild der deutschen Gesellschaft.
Das glaube ich nicht.
Doch. Natürlich gibt es mehr konservativ eingestellte Soldaten. Aber auch stramme Sozialdemokraten.
Hätten Sie letzte Woche in Grasberg auch einen Gottesdienst vor dem Gelöbnis abgehalten wie Ihr Kollege?
Ich bin nicht mit Rekruten befaßt. Aber, sehen Sie, ein Gottesdienst vor einem Gelöbnis soll mahnen und – aus christlicher Sicht – Mut machen. Wenn ein Soldat gelobt, tapfer zu sein, dann sollte er sich auch fragen, wie er mit seiner Angst umgeht. Was das für seine Kräfte und seine Wertvorstellungen bedeutet.
Würden Sie ihm auch Antworten geben?
Ich kann ihm nur Hilfestellungen zu seiner Gewissensentscheidung geben.
Würden Sie ihm in Gewissensnöten empfehlen: Geh nicht zum Gelöbnis?
Nein. Sondern mit ihm darüber sprechen, was ihn hindert.
Und wenn er fragt: Was soll ich tun?
Ich würde ein Gespräch so führen, daß er diese Frage nicht stellt. Auch Ratschläge sind Schläge.
Fragen: Fritz v. Klinggräff
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