: "New Yorker Modell" auf dem Prüfstand
■ Sechs Monate nach dem Besuch des Expolizeipräsidenten Bratton in Berlin treten Bündnisgrüne und Anwälte nun den Gegenbesuch an. Auf dem Prüfstand der Delegation stehen "Null Toleranz" und "polizeilich
Beim Besuch des ehemaligen New Yorker Polizeipräsidenten William Bratton in Berlin wollte sie niemand hören – nun fliegen die Bündnisgrünen selbst in die USA, um sich ein Bild über das „New Yorker Modell der Verbrechensbekämpfung“ zu machen. Konkretes Ziel der Delegation, der neben den Abgeordneten Renate Künast, Ida Schillen und Norbert Schellberg auch Vertreter der Strafverteidigervereinigung angehören, ist eine kritische Bestandsaufnahme der unter Bratton eingeführten Politik der „Zero Tolerance“ (Null Toleranz).
Zwar blieb der Ruf der Gewerkschaft der Polizei nach einem ähnlich rigorosen Vorgehen gegen Bettler und Obdachlose in Berlin bislang weitgehend unerhört. Berlin, so lautet die zurückhaltende Sprachregelung im Senat und im Polizeipräsidium, sei schon allein wegen seiner deutlich niedrigeren Mordrate nicht mit New York vergleichbar. Doch als Denkanstoß wird das „New Yorker Modell“ immer beliebter. „Wir können trotz der rechtlichen Unterschiede aus den Erfahrungen New Yorks lernen“, glaubt deshalb auch Innensenator Jörg Schönbohm (CDU). Nur – was sind die New Yorker Erfahrungen?
In New York trifft sich die Delegation von Bündnisgrünen und Rechtsanwälten deshalb auch mit Gerry Mac Alroy, einem der Erfinder des „Community policing“, der polizeilichen Gemeinwesenarbeit. Hier, so Künast, gelte es auszuloten, ob die – oft brutale – polizeiliche Praxis von Null Toleranz mit dem ursprünglichen Präventionsansatz des Modells überhaupt noch übereinstimme. Noch immer schließlich gilt „Community policing“ als einer der Grundpfeiler des „New Yorker Modells“.
Ob die Polizei aus dem Konzept des „Community policing“ bereits ausgestiegen ist, wird die Delegation auch beim Dachverband der Gemeinsweseninitiativen, dem „Vera-Institute“, beschäftigen. Hier wird vor allem die Arbeit von Streetworkern, Polizei und Bürgerinitiativen koordiniert. Neben dem Besuch von Stadtteilprojektem in Harlem soll auch die Praxis der „Community Courts“, der Gemeinwesen-Gerichtsbarkeit, Thema sein. Während des einwöchigen Aufenthalts, der morgen beginnt, stehen darüber hinaus mehrere Treffen mit Bürgerrechtsgruppen auf der Tagesordnung.
Ziel dabei sei es, sagt die bündnisgrüne Abgeordnete Renate Künast, „die Konzepte, die es angeblich zur Bekämpfung der Kriminalität gibt, zu überprüfen und zu schauen, welche Alternativen es gibt“. Für Künasts Fraktionskollegin Ida Schillen stellt sich darüber hinaus die Frage, wo die Obdachlosen geblieben seien, die seit dem Beginn der Bratton-Ära aus New York vertrieben wurden. Uwe Rada
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen