: „Jemandem weh tun ist mein Job“
Viererbob-Pilot Christoph Langen verkörpert offensiv den neuen Typus Olympiasieger: Für Gold geht der Bob-Manager über Leichen – und macht nicht mal ein Hehl daraus ■ Aus Nagano Matti Lieske
Das ist Sucht“, beschreibt Christoph Langen sein Verhältnis zum Bobfahren und erklärt, daß er nach seinem Olympiasieg am Samstag im Viererbob überhaupt keine Probleme sieht, sich für die kommenden vier Jahre ohne vergleichbaren Höhepunkt zu motivieren. Getrieben wird der 35jährige Hauptfeldwebel nach eigener Auskunft von einem brennenden Ehrgeiz.
Dieser half ihm, einen Achillessehnenriß wegzustecken, der ihn die Saison 96/97 kostete, ist aber auch der Grund dafür, daß Langen nicht allzu viele Freunde in Bobsportlerkreisen hat. „Ich glaube, daß ich nicht sehr beliebt bin“, sagt er und nennt als Grund für die Antipathien: „Ich sage, was ich denke, und schüre die Konkurrenz.“ Mit anderen Worten: Christoph Langen geht über Leichen. Oder falls das übertrieben sein sollte: Wenn es sein muß, geht er durchaus über Freundschaften hinweg.
Einer der wenigen Freunde sei zum Beispiel Kai-Uwe Kohlert, sagt der Bobpilot. Genau der flog jedoch kurz vor dem Olympiastart aus dem Team, obwohl er, so Langen, die ganze Saison „eigentlich eine konstant gute Leistung“ gebracht habe.
Dennoch wurde er in Nagano durch den Diskuswerfer Marco Jacobs aus dem Wiese-Bob ersetzt. „Zum Schluß zählt nur, wer der Stärkste ist“, sagt Langen streng darwinistisch, der Gedanke, aus purer Loyalität jemanden mitfahren zu lassen, der sportlich nicht das Optimale darstellt, ist ihm fern.
Außerdem: „Es ist besser, aus einem guten Bob rauszufliegen, als in einem schlechten zu sitzen und Zehnter zu werden.“ Kohlert (31), mit dessen Schwester Langen amourös verbandelt ist, sieht das naturgemäß anders. Seit einer Woche würde der nicht mehr mit ihm reden, berichtet der Olympiasieger und fügt hinzu: „Dem habe ich weh getan. Aber das ist mein Job.“
Langens Karriere begann, indem er 1985 einfach ins Trainingszentrum der Bobfahrer ging und seinen Wunsch kundtat, diesen Sport auszuüben. Eine Brauerei war sein erster Sponsor: „Ich war eine Null. Aber die haben gesehen, da ist ein junger Bursche, der was erreichen will, den unterstützen wir.“ Ähnlich beeindruckt von der Zielstrebigkeit des Neulings war der Bobpilot Toni Fischer, und bald saß Langen als Bremser in Fischers Bob. Als er selbst zur Nummer eins aufstieg, kam ihm seine Athletik zugute und er begründete sogar einen neuen Trend im Bobsport. „Die Konkurrenz hat gesehen, der Langen trainiert wie ein Tier und schiebt wie ein Bremser.“
Dies wirkt sich auf die Startzeiten aus, einer der wichtigsten Faktoren bei der Jagd durch die Eisrinne. „Wenn du da ein Zehntel Vorsprung hast, holt dich niemand mehr ein, wenn du keine großen Fahrfehler machst.“ Die Zeiten, als sich „klassische Piloten“ wie Fischer weitgehend aufs Steuern beschränkten und die drei anderen die Schwerstarbeit machen ließen, sind seit Langens Aufstieg in die Weltspitze vorbei.
Bobpiloten wie Shimer (USA), Mingeon (Frankreich) oder Lueders (Kanada) sind viel athletischer geworden, die Startzeiten haben sich in den letzten Jahren drastisch verbessert.
„Wenn du die drei stärksten Leute in deinem Bob hast, kannst du die Welt einreißen. Zumindest die Bobwelt“, sagt Langen, der bei der Konkurrenz im Ruf steht, sich die besten Kräfte einzukaufen. Das bestreitet er vehement: „Sie kommen, weil sie wissen, daß sie mit mir gewinnen können.“ Auf klare finanzielle Verhältnisse achtet er aber schon. Oft habe er sich früher geärgert, wenn der Pilot die ganzen Prämien kassierte und den anderen am Ende der Saison ein paar Tausender rüberschob. Damals nahm er sich vor, diese Dinge einmal anders zu handhaben. „Ich will nicht, daß jemand sagt, Langen hat mich um 5.000 Mark beschissen“, erklärt er, deshalb schließt er eindeutige Verträge mit seinen Leuten ab.
Die Vermarktungsgesellschaft, die auch die Sponsorenverträge aushandelt, zahlt die festgesetzten Prämien direkt an die Sportler, und zwar zu gleichen Teilen. „Ich bekomme nicht mehr als der Bremser“, behauptet er, räumt aber ein, daß es neben den sportlichen durchaus finanzielle Anreize gibt, bei ihm anzuheuern: „Wenn du Spitze bist, kannst du als Bobfahrer gut verdienen.“
Ob die Mannschaft, die am Samstag Gold in Iizuna Kogen holte, beisammenbleibt, ist ungewiß. Er müsse erst mit den anderen reden, ob sie weitermachen wollen, sagt Langen. Markus Zimmermann zum Beispiel, mit dem er auch Bronze im Zweier holte, sei Bauingenieur, arbeite normalerweise acht Stunden am Tag und habe für die Olympiavorbereitung damit ausgesetzt.
Langen macht keinen Hehl daraus, daß er am liebsten am Trainingsort Unterhaching „eine junge Mannschaft mit neuen Leuten“ aufbauen würde. Im April beginnt er erstmal eine Trainerausbildung an der Sporthochschule in Köln, an ein Ende seiner Karriere denkt er trotz der Goldmedaille nicht. „Ich habe mal gesagt, wenn ich alle Rennen in einer Saison gewinne, dann höre ich vielleicht auf.“
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