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Spritzige Idee für Amsterdams Junkies

■ Die abhängige Stadtbevölkerung darf jetzt ihren täglichen Schuß in besonderen Räumen setzen. Sie muß den Stoff aber selbst mitbringen

Amsterdam (taz) – 45 Amsterdamer Junkies dürfen sich künftig einen Druck unter den Augen von Sozialarbeitern und Ärzten setzen. Heute eröffnet in der Amsterdamer Innenstadt der erste von drei Räumen, die jeweils Platz für 15 Drogenabhängige bieten sollen. Verläuft das Experiment erfolgreich, folgen nach einem Jahr zehn weitere Druckräume, schlicht „Aufenthaltsräume“ genannt.

Die Räume, die von morgens um acht bis abends um zehn geöffnet sind, sollen den Charakter eines Wohnzimmers bekommen, in denen die obdachlosen Abhängigen zur Ruhe kommen können, sagt der zuständige Stadtrat Jaap von der Giessen. „Sie können hier essen, duschen oder einfach nur sitzen.“ Die Idee, einen „Hausdealer“ anzustellen, wurde bereits im Vorfeld wieder verworfen: Jeder bringt seine eigenen Drogen mit.

Die niederländische Metropole, in der insgesamt 6.300 Drogenabhängige harter Drogen leben, von denen 400 als extrem problematisch gelten, hat in der Vergangenheit bereits mehrere gescheiterte Experimente mit Druckräumen unternommen. Schlagzeilen machte vor allem ein Drogenschiff in der Nähe des Hauptbahnhofs, das binnen weniger Wochen bis zu tausend Junkies sowie deren sämtliche Dealer anzog.

Dem Problem soll jetzt dadurch begegnet werden, daß pro Raum nur 15 Junkies zugelassen werden. Jeder Besucher schließt mit dem Träger einen Vertrag ab: Nicht dealen, nicht klauen, nicht hehlen, keine Gewalt. Die Mitarbeiter der Einrichtungen sollen täglich mehrere Rundgänge unternehmen und dafür sorgen, daß ihre Klientel nicht in der Umgebung herumhängt. Die Anwohner wurden bereits vor ein paar Wochen ausführlich über das Vorhaben informiert.

Laut einer Untersuchung der Stadt Amsterdam befürworten 55 Prozent der Amsterdamer die Einrichtung derartiger Aufenthaltsräume – vor allem, weil sie hoffen, damit die Junkies von der Straße und aus ihrem Blickfeld zu bekommen. Aus dem gleichen Grund wird in Rotterdam und Amsterdam Anfang Mai mit der staatlichen Vergabe von Heroin an Schwerstabhängige begonnen.

Ungeachtet des Widerstandes innerhalb der EU sehen die niederländischen Behürden keinen Grund, ihre Drogenpolitik zu ändern: „Die Ergebnisse bestätigen uns darin, die pragmatische Politik fortzusetzen“, heißt es seitens des Amsterdamer Bürgermeisters. Man verweist stolz auf die Statistiken der Weltgesundheitsorganisation sowie der EU: Mit 1,6 Drogenabhängigen pro 1.000 Einwohnern liegt man hier zwar knapp hinter Deutschland, aber weit vor den aktivsten Widersachern England und Frankreich. Das Schlußlicht der Statistik bildet ausgerechnet das brave Luxemburg: Hier wurden fünf von 1.000 Einwohnern als abhängig von harten Drogen gezählt. Jeannette Goddar

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