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Nordirlands Friedensprozeß wird zur Farce

Sinn Féin, der politische Arm der IRA, wird für 14 Tage von den Friedensverhandlungen ausgeschlossen. Aber ob die Organisation danach wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren wird, ist fraglich  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Zum Schluß waren alle verärgert: Sinn Féin, weil die Partei nach zwei IRA-Morden für zwei Wochen von den nordirischen Friedensverhandlungen ausgeschlossen wurde; die Unionistische Partei, weil sie den Platzverweis als lächerlich kurz empfindet; und die Regierungen in London und Dublin, weil der Friedensprozeß zur Farce wird. Die zweiwöchige Verbannung Sinn Féins ist ein Balanceakt: Einerseits wollte man den IRA-Waffenstillstand nicht noch mehr gefährden, andererseits mußte man irgend etwas unternehmen. So kann Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams den irischen Nationalfeiertag am 17. März mit den anderen Parteichefs bei Bill Clinton im Weißen Haus feiern.

Und dann explodierte eine Autobombe. Elf Menschen wurden verletzt, als wenige Stunden nach Sinn Féins Verbannung am Freitag ein Polizeirevier in Moira südlich von Belfast in Schutt und Asche gelegt wurde. Die Polizei glaubt, daß die IRA-Abplitterung „Continuity IRA“ dahintersteckt.

Die Morde an dem Drogenhändler und dem Loyalisten vor zwei Wochen waren dagegen das Werk der IRA. Auch wenn die Beweise der Polizei recht dürftig sind, so zweifeln nicht einmal IRA-Anhänger ernsthaft daran. Es scheint, daß der interne Druck der Gegner des Waffenstillstands zu groß geworden war. Gestern wurde bekannt, daß ein hochrangiger IRA- Mann aus Limerick, der für das Waffenarsenal der dortigen Sektion verantwortlich war, die IRA verlassen hat. Er hat sich allerdings nicht der Continuity IRA angeschlossen, sondern der anderen Absplitterung, dem „32 County Sovereignity Committee“, das zwar gegen den Friedensprozeß, aber für den Waffenstillstand ist.

Sinn Féin hat für sich das Beste aus der Situation gemacht. Als klar wurde, daß der vorübergehende Ausschluß unumgänglich war, begann eine Propaganda-Offensive, an deren Ende Sinn Féin als klarer Punktsieger dastand. Die Friedensgespräche, die vorübergehend in Dublin stattfanden, wurden von dem Thema beherrscht. Adams sagte, er „lehne alle Morde ab“. Dabei benutzte er das Wort „disavow“. Eine irische Sonntagszeitung bemühte ein Lexikon und fand: „verwerfen, verstoßen, ablehnen“ – so nah war er noch nie an einer Verurteilung der IRA.

Als man die Gespräche vertagte, zog Sinn Féin vor ein Dubliner Gericht, um den Ausschluß zu verhindern. Der Fall wurde drei Tage lang verhandelt, obwohl von Anfang an klar war, daß eine einstweilige Verfügung zugunsten Sinn Féins überhaupt nicht durchzusetzen wäre, weil das Gericht keine Jurisdiktion über die Beklagten – darunter die britische Nordirlandministerin Marjorie Mowlam – hat. Der irischen Regierung kam die Sache durchaus zupaß: Sie war bemüht, Sinn Féins Ausschluß so lange hinauszuzögern, bis die Verhandlungskarawane von Dublin zurück nach Belfast gezogen war.

Wie es weitergeht, weiß niemand. Zwar darf die loyalistische Ulster Democratic Party nach vierwöchiger Pause wegen dreier Morde wieder an den Verhandlungen teilnehmen, aber ob sich Sinn Féin am 9. März am Runden Tisch einfinden wird, ist nicht sicher. Sollte die Partei wieder dabeisein, wird die Lage für Unionistenchef David Trimble ungemütlich. Am Wochenende meldeten sich bereits Parteimitglieder zu Wort, die den Auszug aus der Gesprächsrunde wegen der milden Strafe für Sinn Féin forderten.

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