: Schäden wie von einer Atombombe?
■ Neue Untersuchungsergebnisse zum UKE-Strahlenskandal: 81 Prozent der PatientInnen erlitten schwerste Nebenwirkungen
Von 63 PatientInnen, die zwischen 1986 und 1990 in der Radiologie der Universitätsklinik Eppendorf (UKE) behandelt worden sind, sollen 51 Frauen und Männer „schwere Nebenwirkungen“erlitten haben. Elf der Darmkrebserkrankten sollen an den Folgen der zu hohen Strahlendosis verstorben sein. Diese Ergebnisse seiner Untersuchung hat der britische Wissenschaftler Prof. Vladimir Svoboda auf dem 7. Symposium „Experimentelle Strahlentherapie und Klinische Strahlenbiologie“im UKE vorgestellt. Der Radiologie-Chef Prof. Klaus-Henning Hübener war 1993 wegen des Strahlenskandals vom Dienst suspendiert worden.
Die nach der sogenannten Sandwich-Methode vor und nach der Operation bestrahlten PatientInnen wurden besonders an Darm, Knochen, Blase und Harnleiter geschädigt. Von den 35 Frauen und 28 Männern im Alter von 27 bis 78 Jahren wurde rund die Hälfte zusätzlich mit Chemotherapie behandelt. Aufgrund fehlender Nachsorgeuntersuchungen fielen die äußerst schmerzhaften Spätfolgen anfangs nicht auf, so daß diese Methode nicht rechtzeitig geändert wurde. Prof. Thomas Herrmann, nach Hübener vorübergehend Leiter der Radiologie, forderte deshalb im Einklang mit der Strahlenschutzkommission die Ärzteverbände auf, ein verbindliches Nachsorgeverfahren zu etablieren.
Nach dem Ergebnis der Studie war der therapeutische Nutzen der Sandwich-Strahlentherapie zudem „nicht gegeben“. Die Hansestadt hat an diese vom UKE-Strahlenskandal betroffene Personengruppe nach Angaben von Patientenanwalt Wilhelm Funke bislang über zehn Millionen Mark Entschädigungen zahlen müssen, wobei noch nicht alle Fälle abgeschlossen sind.
„Die in der Untersuchung genannten Zahlen sind, so sie denn zutreffen, erschreckend hoch“, sagte Hübeners Anwalt Albrecht Lüders gestern auf Anfrage. Gleichzeitig warf er die für seinen Mandanten entscheidende Frage auf, ob zum damaligen Zeitpunkt jemand ahnen konnte, daß „die Berechnungsformeln für die Wirksamkeit von Bestrahlung auf das gesunde Gewebe nicht zutreffend“seien.
Hübener selbst weist in einer Presseerklärung darauf hin, daß der britische Wissenschaftler sämtliche Folgen der Behandlung pauschal erfaßt, aber nicht ausgewiesen habe, zu welchem Prozentsatz die Komplikationen tatsächlich auf die Bestrahlung zurückzuführen seien. Die Staatsanwaltschaft, die die Ermittlungen gegen Hübnener bereits eingestellt hatte, ermittelt jetzt aufgrund einer Beschwerde des Patientenanwalts Funke, inwieweit die Strahlenbehandlung überhaupt notwendig gewesen ist.
Der Arzt und gesundheitspolitische Sprecher der GAL-Fraktion, Peter Zamory, forderte gestern Hübeners Entlassung. Die Strahlenschäden bei vielen PatientInnen seien nur noch mit denen der Opfer einer Atombombenabwurfs zu vergleichen. Wissenschaftssenatorin Krista Sager (GAL) erklärte, sie sei „entsetzt über die eindeutigen Ergebnisse“der Svoboda-Untersuchung. Lisa Schönemann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen