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Eine Reise nach Lissabon für die Buchhändlerin

■ Verlage versuchen ihre Bücher in den Schaufenstern und Regalen nach vorne zu rücken

Berlin (taz) – Es gab Zeiten, in denen sich der Konkurrenzkampf der Verlage fast ausschließlich auf das Programm beschränkte. Der Leser konnte damals noch ohne großen Argwohn jeden Buchladen betreten und die Buchhändlerin nach einer Empfehlung fragen. Heute ist dabei hingegen eine gewisse Vorsicht geboten. Denn den Verlagen geht es mittlerweile wirtschaftlich längst nicht mehr so gut wie einst, und sie bedienen sich deshalb verschiedener Marketingtricks, um den Absatz anzukurbeln und dabei die Buchhändler einzuspannen.

Dazu gehören beispielsweise Mengenrabatte für einzelne Buchtitel: Je mehr Exemplare von einem Titel eine Buchhandlung ordert und absetzt, um so größer ist der Verdienst für den Händler. Denn bei einem festen Ladenpreis der Bücher erhöht sich die Provision für den Händler, die normalerweise zwischen 40 und 50 Prozent liegt.

Zuweilen wird aber auch schon mal ein Bonus in Form von Naturalien gewährt. So versprach Ullstein in der Vergangenheit Abnehmern von mindestens 100 Exemplaren des Bandes „Oktober Leserfest“ ein Set mit Original-Löwenbräu-Oktoberfestbier sowie einen Ullstein-Oktober-LeseFest- Bierkrug. Im Rahmen einer Tierbuch-Aktion versprach Ullstein im Frühjahr 1997 den Bestellern von mindestens 120 Büchern aus einer Reihe einen eigens für diese Aktion kreierten Stoffdackel namens Lorbaß – Wert rund 100 Mark.

Längst ist es auch üblich, daß Verlage einzelne, gut plazierte Regale in Buchhandlungen mieten und dort ausschließlich ihre Produkte ausstellen. Der Buchhändler erhält als Gegenleistung für die besonderen Herausstellungen eines Verlagsprogramms oder einzelner Titel entweder Bargeld oder aber Rabatte.

Eine neue, freilich sehr wirkungsvolle und überdies äußersts preiswerte Marketingaktion stellen die Aufrufe zu Schaufenstergestaltungen in den Buchhandlungen dar. Zumeist geschieht dies anläßlich eines Geburts- oder Todestages eines Autors, den ein Verlagsunternehmen im Programm hat. Gleichermaßen kleine wie große Verlage winken dabei mit zum Teil lukrativen Preisen. So verspricht Kiepenheuer & Witsch gegenwärtig allen Buchhändlern, die sich im Zeitraum vom 1.6. bis 31.7. 1998 mit einer Schaufensteraktion zum 100. Geburtstag von Erich Maria Remarque beteiligen, im Rahmen eines Gewinnspiels eine Reise ins Tessin oder ins Erich-Maria-Remarque-Archiv nach Osnabrück. Überdies locken „attraktive Buchpakete“. Teilnahmebedingung ist hier – wie allgemein üblich – die Einsendung eines Fotos des gestalteten Schaufensters.

1995 konnte man bei Kiepenheuer & Witsch bereits beim 100. Geburtstag von Joseph Roth bzw. „Comedy in KiWi“ ein Wochenende für zwei Personen in Wien gewinnen. Wem das nicht attraktiv erschien, dem wurde angeboten, am Rosenmontagszug in Köln auf dem Wagen von Kiepenheuer & Witsch mitzufahren. Als zweiter Preis winkte „Real-Satire: Ein Tag im deutschen Bundestag“. Andere Verlage haben Lissabon, Rom oder London im Programm.

Lediglich ein Bücherregal, allerdings „handgefertigt aus massivem Mahagoniholz“ und gefüllt mit 20 Bänden im Wert von 2.000 Schweizer Franken, offerierte Manesse aus Anlaß eines Verlagsjubiläums. Origineller war, was Wagenbach anläßlich des 30jährigen Verlagsbestehens versprach: Jeder Einsender eines Fotos des gestalteten Schaufensters erhält „postwendend eine Flasche Cocchiorivo 1991 (einmalige Jubelabfüllung) und nimmt an einer Verlosung teil: Für drei Damen und Herren winken Bücher für jeweils 500 Mark nach eigener Wahl“.

Inwieweit die Buchhandlungen solcherart Verführungen der Verlage erliegen, können die Kunden der Buchhandlungen selbst überprüfen. Clever sind die Marketingmaßnahmen jedenfalls. Denn sie bescheren den Verlagen Werbung fast zum Nulltarif.

Detlef Gwosc

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