: Italiens Wunder der Beherrschung
Mit weniger als einem Prozent der Anteile können Aktionäre italienische Konzerne beherrschen. Davon profitiert auch Fiat bei der Privatisierung von Staatsbetrieben ■ Aus Rom Werner Raith
„Endlich, endlich“ wünsche er sich rasche Privatisierungen, drängte der Generalmanager des Fiat-Konzerns, Cesare Romiti, auf einem Kongreß über Investitionen in Italiens Süden. „Und wirklich echte Privatisierungen.“ Die Anspielung galt der Tendenz italienischer Regierungen, die Privatisierung staateigener Unternehmen so zu gestalten, daß die Politik auch weiterhin großen Einfluß auf die Betriebe behält. Das geschieht meist über den Einbehalt einer Sperrminorität von 25, mitunter auch 49,9 Prozent bei gleichzeitiger breiter Aktienstreuung.
Die Kritik Romitis scheint also begründet. Daß jedoch gerade Fiat dies beklagt, hat die Regierung höchst erregt. Denn wenn ein Konzern von der Privatisierung profitiert hat, sind es die Turiner Autobauer. Der Chef der größten Regierungspartei, Massimo D'Alema, bislang Gönner der Großindustrie, nahm sich Romiti auf demselben Kongreß öffentlich vor. „Echte Privatisierungen bedeuten, daß die Firmen danach auch von echten Mehrheiten beherrscht werden sollen. Heute aber dominieren die großen Privatunternehmen die verstaatlichten Firmen mit einer lächerlichen Quote.“
Das saß: Romiti verstummte. Jedenfalls fürs erste. Was die Öffentlichkeit bisher nur schemenhaft wahrgenommen hatte, war auf einmal sichtbar: Mit nur 0,7 Prozent des Aktienanteils hatte Fiat über seine Tochter Ifil faktisch die gesamte Leitung der italienischen Telecom übernommen, hatte den von der Regierung ernannten, international angesehenen ehemaligen Bösenpräsidenten Guido Rossi von der Führung verdrängt und dafür gesorgt, daß die Konkurrenz im Telekommunikationssektor bislang nicht einmal ansatzweise zur Gefahr für den Tele-Riesen wurde. Auch bei der Privatisierung der beiden größten Staatsbanken, Banca di Roma und Istituto San Paolo di Torino, hat Fiat mitgemischt: „Die sitzen strategisch auf allen Kreuzungen und regeln den Verkehr“, schreibt La Repubblica.
Das Wunder „Beherrschung durch Mini-Paket“ ist eine italienische Spezialität. Das Aktienrecht bestimmt zwar auch hier, daß die Mehrheit entscheidet und sich Minderheiten allenfalls über Sperrklauseln bemerkbar machen können. Doch gerade bei der breiten Streuung der Aktien ist es schwer, homogene Interessengruppen zusammenzubekommen. Die Übertragung der Stimmrechte ist höchst kompliziert, eine kleine Änderung der Tagesordnung macht die Vollmachten zu Makulatur. Der Kleinaktionär muß erneut zum Notar und seine Rechte delegieren. Das dauert dann wieder Wochen. Die meisten Aktienbesitzer verzichten daher auf ihre Stimmrechte, so daß einer mit einem Prozent der Aktien eine Mehrheit bilden kann.
Voraussetzung ist, daß auch jene mitspielen, die noch immer jene stillen 25 oder 49 Prozent halten: die Staatsholdings. Gerade diese hatten bisher bei allen Wünschen von Fiat stillgehalten. Eine Seilschaft aus der aufgelösten Christdemokratischen Partei hatte dafür gesorgt, daß niemand querschoß. So ist Fiat nicht nur durch die Staatszuschüsse für den Kauf neuer Autos oder Motorräder (bis zu 3.000 Mark pro Kauf) Profiteur der Mitte-links-Regierung, sondern auch durch die Herrschaft über die zahlreichen verkauften Staatsbetriebe.
Das soll anders werden. „Verstaatlichen heißt nicht verschenken“ lautet die Devise von D'Alema. „Mit solchem Aktienrecht kann man sich international nicht mehr sehen lassen.“ Die Rechte der Kleinanleger sollen gestärkt, Entscheidungen nur noch echten Mehrheiten zugestanden werden. So sorgte D'Alema dafür, daß der bisher starke, von der Christdemokratenseilschaft gestützte Chefmanager Tomaso Tommasi di Vignano abtritt und der linksliberale Vito Gamberale das Kommando bei Fiat übernimmt. An dem sollen sich Romiti und die Ex-Christdemokraten die Zähne ausbeißen.
Das wäre dann auch eine Niederlage für Regierungschef Romano Prodi. Auch er kommt aus der Democrazia Cristiana, hatte bei den ersten Privatisierungen Ende der achtziger Jahre als Präsident der Staatsholding IRI für die Streuung der Aktien gekämpft. Als Ministerpräsident hatte er jedoch wenig dagegen getan, daß Großunternehmen mit Kleinanteilen das Kommando übernahmen.
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