■ Vorschlag: Kleine Schöpfungsgeschichte: Bernd Zimmer am Lützowplatz
Das Erste ist die Welt, das Zweite ist der Maler. Kein Drittes stört die Unmittelbarkeit der Welterfahrung in Bernd Zimmers Bildern. Ob Rapsfeld, Wurzel, Himmel oder Wüste: Das eine, was sein Bild zeigt, steht für alles Seiende. „Sandsee“ ist gelb, gelb und brennend, nur von einer Horizontlinie und leichten Aufhellungen als Landschaft und Tiefe bestimmt. „Erdschnitt“ läßt dunkles Geröll von oben drücken. „Wolken“, immer wieder „Wolken“: Wie von einem Windstoß in der Mitte zusammengeboxt, biegen sich Bündel von Schraffen und Strichen, die an den Rändern ins Unendliche zu verschwimmen scheinen.
Schwelgen läßt sich in Wolken und Himmeln in der Ausstellung „Aus der Ferne. Nähe“, die über 70 Papierarbeiten Zimmers zeigt. Anlaß der Ausstellung, die in fünf deutsche Städte weiterwandert, ist der 50. Geburtstag des Malers, der 1977 in Kreuzberg die „Galerie am Moritzplatz“ mitbegründete. Das Heftige, Drängende, Expressive ist für ihn eine Sache der Elemente geworden. Wie ein Titan zerlegt er Landschaft in Berg, Tal, Wüste, Einschnitt; was er dabei vorantreibt, ist nicht nur formale Reduktion, sondern Konzentration der Vorstellung.
Selbst die Arbeiten auf Papier haben noch etwas Monumentales in ihrer Lust an der Gewalt der Elemente. Das erinnert an die heroische Aufladung der romantischen Landschaft, doch bei Zimmer geht es, dem Leben in Italien und den Reisen nach Indonesien, Indien, Libyen und Polynesien zum Trotz, nicht um das Spezifische eines Ortes und seiner Geschichte. Eher schon läßt sich sein Anliegen mit den Malern vom Beginn der Moderne vergleichen, die wie Gaugin in der Südsee das Andere der Zivilisation suchten.
Auch der Mensch ist, wo er bei Zimmer auftaucht, wieder Element geworden: Kalk, Knochen, Skelett. In der Zeit des Golfkrieges begannen die Knochenmänner über sein Papier zu spuken. Ihre Striche, die Rippen, Wirbelsäule und Schädel meinen, abstrahieren eigentlich kaum weniger vom Leben als die Farbflächen von der Landschaft. Auch die zweite Figur, die auftaucht, ist schon stilisiertes Schema vom Menschen: Es sind die kubischen Wächterskulpturen einer polynesischen Insel. Katrin Bettina Müller
Bernd Zimmer: „Aus der Ferne. Nähe.“ Haus am Lützowplatz, Di-So 11-18 Uhr, bis 15. März
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen