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UN-General vor UN-Tribunal

„Selbstverständlich“ hätte die UNO den Völkermord in Ruanda 1994 verhindern müssen, bestätigt vor Gericht der damalige UN-Blauhelmkommandeur, General Dallaire  ■ Aus Arusha Peter Böhm

Der General ist in seinem Element. Mit bunten Filzstiften ausgerüstet, steht er an einem Projektor, der eine Karte Ruandas an die Wand wirft, und erklärt, wo sich Anfang 1994 die demilitarisierte Zone und die UN-Militärbeobachter befanden. Der Auftritt von General Romeo Dallaire, Kommandeur der UN-Blauhelmtruppe in Ruanda (Unamir) vor und während des Völkermordes, ist ein Höhepunkt für das Ruanda-Tribunal der UNO im tansanischen Arusha.

Beim Völkermord in Ruanda wurden zwischen April und Juni 1994 etwa 800.000 Menschen umgebracht — zumeist Angehörige der Tutsi-Minderheit — ohne daß die anwesende UN-Truppe eingriff. Geladen wurde Dallaire jetzt von Nicolas Tiangaye, Anwalt des der Beteiligung am Völkermord angeklagten ehemaligen Bürgermeisters der ruandischen Gemeinde Taba, Jean-Paul Akayesu. Tiangaye, der aus der Zentralafrikanischen Republik stammt und auch schon den dortigen Diktator „Kaiser“ Jean-Bedel Bokassa verteidigt hat, landet mit der Vorladung Dallaires vor allem einen Publicity-Erfolg. Er versucht, die UN-Mission in Ruanda schlecht aussehen zu lassen. Das entlastet seinen Mandanten zwar nicht, interessiert aber die angereisten Journalisten.

UN-Generalsekretär Kofi Annan hat eine Abgesandte nach Arusha geschickt, die zu Beginn der Verhandlung klarstellt, daß Dallaire hier aussagen dürfe, um „den Willen des Generalsekretärs zu demonstrieren, mit dem Tribunal zusammenzuarbeiten“. Die Gesandte Daphna Shraga verhehlt allerdings nicht, daß Dallaires auf den Fall Akayesu beschränkte Aussagegenehmigung auch sicherstellen soll, daß „hochrangige Mitglieder der Organisation, einschließlich Kommandeure von Friedenstruppen, nicht unbegründet vor internationale Gerichte geladen werden“. Außerdem glaubt sie, es sei nützlich, darauf hinzuweisen, daß die Unamir eine Friedensmission ohne Kampfauftrag gewesen sei. Sie „durfte Gewalt nur als letztes Mittel und zur Selbstverteidigung nutzen“.

Diese Ansicht weist Dallaire im Prozeß jedoch kategorisch zurück. Auf die Frage des Verteidigers Tiangaye, ob die Unamir seiner Auffassung auch militärische Gewalt benutzen durfte, antwortet Dallaire: „Selbstverständlich!“ Als Grund, warum das dennoch nicht geschehen sei, nennt Dallaire die unzureichende Ausstattung seiner Truppe. So habe er zum Beispiel nur 40 Prozent der vorgesehenen gepanzerten Fahrzeuge bekommen. Weil es außerdem dafür keine Ersatzteile gab, fielen immer mehr davon mit der Zeit aus. Es habe lange gedauert, bis überhaupt die vom UN-Sicherheitsrat beschlossene Truppenstärke erreicht worden sei, was sich aus „administrativen Gründen innerhalb der UNO“ sowie Schwierigkeiten der truppenentsendenden Länder erkläre. „Wir waren deshalb nicht in der Lage, Operationen durchzuführen“, erklärt Dallaire.

Bevor der General allerdings auf die Frage antworten kann, ob er vorab Warnungen vor einem Völkermord an UN-Generalsekretär Butros Ghali weitergeleitet habe, interveniert der Gerichtspräsident, der offenbar Anweisungen aus der UNO-Zentrale in New York bekommen hat, daß diese Frage „vertrauliche Informationen“ betreffe.

Am Ende des ersten Verhörs können fast alle zufrieden sein: Verteidigung, Anklage und Gericht, weil sie zum ersten Mal richtig im Licht der Weltöffentlichkeit stehen; die UNO, weil ihr Bild nicht allzu sehr beschädigt wurde. Nur die Betroffenen, die gerne Genaueres über die Rolle der UNO erfahren hätten — sie gingen leider leer aus.

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