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„Eine Gefahr für Altersgenossen“

■ Manfred Püchel (SPD), Innenminister von Sachsen-Anhalt, über die Unterbringung auffälliger Mehrfachtäter in geschlossenen Heimen

taz: Jugendkrawalle und Gewalt bringen Ihre Landeshauptstadt Magdeburg immer wieder in die Schlagzeilen. Würden Sie solche Jungs am liebsten wegsperren?

Manfred Püchel: Nein, ich habe selbst Kinder. Einsperren ist kein Mittel, Erziehung ist gefragt.

Dennoch plädieren Sie für geschlossene Jugendheime...

Das Problem konzentriert sich auf eine sehr kleine Gruppe. Nur fünf bis sechs Prozent der Jugendlichen werden überhaupt straffällig. Von denen ist etwa jeder zehnte ein Mehrfachtäter, alle anderen haben aus ihren Fehlern gelernt. Um die wenigen, die immer wieder auffällig werden, müssen wir uns allerdings besonders kümmern.

Wie machen Sie das?

Wir haben in Magdeburg, Halle und Dessau Jugendkommissariate eingerichtet. In denen sind Kriminalbeamte zuständig für alle Straftaten, die von Jugendlichen begangen werden. Nach der Vernehmung eines Tatverdächtigen wird ihm angeboten, sich mit einem Sozialarbeiter zusammenzusetzen, der auch im Jugendkommissariat tätig ist. Der versucht, dem Jugendlichen bei seinen Schwierigkeiten zu Hause zu helfen. Da geht es darum, daß ein Kind nicht mehr zur Schule geht. Oder um Probleme mit dem Ausbildungsplatz. Es werden Sportveranstaltungen vermittelt. Jugendliche, die im Zusammenhang mit Kfz-Delikten auffällig geworden sind, können unter Anleitung an Autos und Motorrädern basteln. Dieser Ansatz hat sich bewährt, bei solchen Jugendlichen ist die Rückfallquote extrem gering. Was bleibt, ist ein harter Kern von mehrfach Auffälligen, denen man nur schwer helfen kann. Die über 14jährigen fallen unter das Jugendstrafrecht, da ist das Problem nicht so groß.

Was heißt das?

Das heißt, daß das Gericht entscheiden kann, ob der Jugendliche zu einer Haftstrafe verurteilt wird oder etwa zu einer gemeinnützigen Tätigkeit. Dann gibt es aber immer noch die kleine Gruppe von Gewalttätigen, an die man nicht mehr herankommt. Und die muß man härter bestrafen.

Indem man sie wegsperrt?

Ich bin der Auffassung, daß es in Heimen Möglichkeiten geben muß, Jugendliche für eine gewisse Zeit in einer geschlossenen Abteilung unterzubringen. Die Gesellschaft muß vor solchen Tätern geschützt werden. Sie stellen eine Gefahr für ihre Altersgenossen dar, aber auch für Ältere. Man muß sie außerdem vor sich selbst schützen. Wenn man die nicht mehr einfängt und sie immer aggressiver werden, begehen sie womöglich eines Tages eine Straftat, für die sie nie mehr aus dem Gefängnis herauskommen. Trotzdem müssen auch in einem geschlossenen Heim Erziehung und Resozialisierung im Vordergrund stehen.

Häufig verschärfen sich doch in geschlossenen Heimen gewalttätige Verhaltensmuster noch...

Manche Jugendliche können durch eine Heimunterbringung gar nicht mehr verdorben werden. Da gibt es 13jährige, die schon über fünfzig Straftaten begangen haben. Wie wollen Sie die wieder resozialisieren? An die kommt man nicht mehr ran, und die können auch nichts mehr dazulernen. Interview: Constanze v. Bullion

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