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In jedem Kandidaten steckt irgendwie ein Tony Blair

■ Trotz des internationalen Medieninteresses an den „Schröder-Primaries“: Der Wahlkampf in Niedersachsen und das „entscheidende“ Fernsehduell waren größtenteils inhaltsleer

„Müder Smalltalk, ein fader Fernsehabend“. So sahen die Bündnisgrünen das dreiviertelstündige Duell, das sich Gerhard Schröder und Christian Wulff am Mittwoch abend in „N3“ lieferten. Auch wenn die Grünen zu Recht schmollten, weil sie als dritte im Landtag vertretene Partei vor der Studiotür bleiben mußten – ihre Bewertung ist treffend.

Da standen sich zwei nach Outfit, Habitus und Inhalten durchaus verwechselbare Kontrahenten gegenüber. Natürlich war Wulff manchmal einen Tick aggressiver als der durch und durch staatsmännisch langweilige SPD-Ministerpräsident. Der wieder schnitt rhetorisch ein kleinen Tick besser ab und zeigte sich in puncto Leibesfülle dem 15 Jahre jüngeren CDU- Politiker überlegen.

Ansonsten war diese einzige Fernsehdebatte zwischen den Spitzenkandidaten durchaus typisch für den Wahlkampf. Korrespondenten sogar aus Südostasien oder Lateinamerika haben in den letzten Wochen den Weg nach Niedersachsen nicht gescheut, um sich selbst ein Bild von den „Schröder- Primaries“ zu machen. Doch ein äußerst träges Geschehen erwartete sie. Zum Auftakt der heißen Phase war zunächst der Kauf der Preussag Stahl durch das Land das Thema. Gerhard Schröder kann sich bei WestLB-Chef Friedel Neuber dafür bedanken, daß dieser an der Landesregierung vorbei den Verkauf des Stahlwerkes vorbereitete und so eine Chance zur Profilierung lieferte.

Ein weiteres Wahlkampfthema, zu dem alle Kontrahenten aktuell hätten Stellung nehmen müssen, gab es nicht. „Wir konnten unsere Kampagne ohne Änderungen völlig nach Plan abwickeln“, lautet denn auch das zufriedene Resümmee der SPD. Selbst mit ihrem Lieblings- und Propagandathema Kriminalität konnte die CDU nicht öffentlich punkten, schließlich stellt Schröders Innenminister Glogowski mit seiner Illiberalität so manchen CDU-Kollegen noch in den Schatten.

„In diesem Wahlkampf brüllt jeder so laut, wie es geht, was seine Werbeagentur für ihn aufgeschrieben hat“, sagte die grüne Spitzenkandidatin Rebecca Harms bei der Wahlkampfabschlußveranstaltung ihrer Partei in Hannover. Gegen den „Tony-Blair-Ähnlichkeitswettbewerb“ zwischen Schröder und Wulff wollten die Grünen eine Debatte über die möglichen und nötigen landespolitischen Weichenstellungen setzen: über ein Bündnis für Arbeit im Landesdienst, über eine Ausbildungsplatzabgabe, über eine andere Verkehrspolitik, über den Umgang mit der Gentechnologie oder auch darüber, wie bei der Meyer- Werft in Papenburg die Arbeitsplätze auf Dauer gesichert werden können. Gegen den schröderschen Kandidatenwahlkampf konnten sie sich damit kaum durchsetzen.

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