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Schwule pfeifen auf Guildo Horn

■ Zweiter Platz von Rosenstolz von Schwulen und Lesben gefeiert

„Ich habe Lampenfieber.“ Es klingt leidlich melodisch, wenn der ganz Saal im Chor singt. 100 Begeisterte haben sich in der Movie Bar eingefunden und warten lampenfiebergeplagt auf den Beginn von „Ein Lied für Birmingham“. Sie sind keine Schlagerfetischisten, sie sind auch nicht wegen Guildo Horn gekommen, sie sind wegen Rosenstolz hier. „Denn Rosenstolz hat unser Leben verändert“, sagt Trixi und guckt pathetisch.

Noch nie wurde der deutschen Vorentscheidung für den Grand Prix d'Eurovision so viel Beachtung geschenkt. Die Bands des Produzenten Ralph Siegel tragen den Wettkampf nicht mehr untereinander aus, um dann auf dem internationalen Parkett den vorletzten Platz zu belegen. Zwei Bewerber stören dieses Jahr die heile Welt des deutschen Schlagers. Zum einen Guildo Horn, Antityp des Schlagersängers und Inkarnation des schlechten Geschmacks. Er hat die Massen der jungen Schlagerpartygänger hinter sich. Und zum anderen Rosenstolz. Weniger proletig, eher anspruchsvoll. Ideenreiche Musik und Texte, die von Liebe und Sex handeln. Deren Fans sitzen in der Movie Bar.

„Eigentlich ist das die blödeste Veranstalung der Welt. Und Rosenstolz passen da nicht rein. Aber es ist einfach gut für die schwule Solidarität, daß sie mitmachen. Und auch dafür, daß sie über die Grenzen der Schwulen- und Lesbenszenen bekannt werden.“

Die übrigen Bands interessieren deshalb auch nicht sonderlich. Egal ob Shana oder Die drei jungen Tenöre, die Botschaften bleiben unverstanden, der Geräuschpegel in der Bar ist zu hoch. Erst bei Nummer sechs wenden sich die Gesichter den Fernsehern zu, „Guildo hat euch lieb“. Darauf pfeifen sie, und zwar lautstark. „Eigentlich ist es mir ziemlich egal, wer gewinnt. Nur im Gegensatz zu Guildo Horn höre ich Rosenstolz sehr gerne. Dazu läßt sich vortrefflich kuscheln“, was Timo dann auch ausgiebig macht, als Moderatorin Nena endlich „eine Band aus Berlin“ ankündigt. Still ist es, als „Herzensschöner“ erklingt.

Unruhe erst wieder, als es zur telefonischen Abstimmung kommt. Sie zücken die Handys, Uschi und Volker wählen abwechselnd, am Ende werden sie 34mal für Rosenstolz gestimmt haben. Und es wird dennoch nur für den zweiten Platz reichen. „Klar, daß die bei der Medienpräsenz von Guildo Horn nicht mithalten können“, sagt Timo. „Jetzt werden die Deutschen wieder den 40. Platz belegen, Germany, one point.“ Aber daß Rosenstolz auf Anhieb den zweiten Platz gemacht hat, das finden sie beachtlich. „Hätte der speckige Idiot nicht mitgemacht, hätten wir gewonnen.“ Peter Kasza

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