: "Wir werden in die Fusion getrieben"
■ Kleinbanken leiden unter einem Berg von Vorschriften. Geldwäschegesetz, Finanzmarktförderung, Wertpapierhandel - überall sind Beauftragte nötig, um über die Einhaltung der Gesetze zu wachen. Großbanken
Immer mehr bürokratische Hürden machen den Banken das Leben schwer. Allein in den vergangenen acht Jahren wurden dreizehn Regelwerke eingeführt, die erhebliche Auswirkungen auf den Bankbetrieb haben: vom Geldwäschegesetz bis zum Anzeigewesen im Kreditgeschäft. Zwar sind die neuen Vorschriften (wie etwa jene zur Bekämpfung von Insider-Geschäften) für Großbanken meist sinnvoll, doch weil der Gesetzgeber nicht differenziert, müssen sich auch die kleinen Kreditinstitute den neuen Regeln auf oft absurde Weise fügen.
Und das sorgt inzwischen für erheblichen Unmut. Eugen Schlachter, Vorstandssprecher der Raiffeisenbank Dellmensingen bei Ulm, kämpft seit über einem Jahr gegen die „Regelungswut“ in Bonn. Seine Bank hat zwölf Mitarbeiter und kommt auf eine Bilanzsumme von 63 Millionen Mark. Trotzdem wird das Kreditinstitut in der Gesetzgebung behandelt wie eine Großbank: Das Unternehmen braucht einen Compliance-Beauftragten, der darüber wacht, daß die Bank keine Insider- Informationen für marktbeeinflussende Kursbewegungen nutzt. „Woher aber sollen wir Insider-Informationen haben?“ fragt Schlachter verständnislos.
Auch das Geldwäschegesetz ist auf die anonymen Schalterhallen von Großbanken zugeschnitten. Bei Bargeldtransaktionen von 30.000 Mark und mehr muß die Bank den Ausweis kopieren, ebenso bei Kontoeröffnungen und beim Abschluß eines Bausparvertrags. „Dann muß ich auch den Dorfpfarrer nach seinem Ausweis fragen“, beklagt sich Schlachter, „das sieht dann immer so aus, als ob wir dem Kunden mißtrauen.“ Und ein interner Geldwäsche-Beauftragter wiederum muß prüfen, ob die Bank alle Regeln einhält.
Weitere Beauftragte kommen hinzu, einer zum Beispiel für die Sicherheit, einer für den Datenschutz. „Bald müssen wir Mitarbeiter einstellen, nur um alle Beauftragtenpositionen besetzen zu können“, sagt Schlachter. Denn weil die Vorschriften zumeist eine Trennung der einzelnen Funktionen verlangen, sind Doppelbesetzungen nicht möglich. Für eine Bank mit nur einem Dutzend Mitarbeitern heißt das: Muß der dreizehnte Beauftragte benannt werden, hat das Unternehmen ein ernstes Problem.
„Bei den Gesetzen werden alle über einen Kamm geschoren – ob Kleinbank oder Global Player“, beklagt sich auch Armin Kloß, Sprecher beim Bundesverband der Volksbanken und Raiffeisenbanken. „Unsere Mitglieder sind von den Gesetzen massiv betroffen, manche werden durch die neuen Vorschriften bis zur Kapazitätsgrenze belastet.“ Daher sei, so heißt es bei den Raiffeisenbanken, künftig ein „größeres Augenmaß für die besonderen Bedürfnisse mittelständischer dezentraler Bankengruppen erforderlich“.
Der Bundesverband deutscher Banken (BdB) hingegen, traditionell mehr auf Linie der Großbanken, sieht das alles nicht so dramatisch. Zwar verursache etwa das Geldwäschegesetz auch einen „hohen Kostenaufwand“, doch allzuviel Kritik an der Gesetzesflut äußert der BdB nicht. Denn die Großen können mit den meisten Richtlinien viel besser umgehen. Mit der Regelung, daß die Mitarbeiter zweimal im Jahr zum Thema Geldwäsche geschult werden müssen, kann sich eine Großbank gut abfinden. Schließlich kann sie problemlos einen Mitarbeiter speziell für diesen Dienst fit machen – aber eine Bank mit nur zwölf Leuten?
Überzogen ist aus Sicht der kleinen Banken auch der Zwang zur Überwachung des betrieblichen Risikos. Weil durch den Handel mit Derivaten, also mit hochspekulativen Wertpapieren, die Risiken der Geldinstitute zugenommen haben, wird eine tägliche Überwachung der Lage gefordert. Eugen Schlachter rechnet vor, daß die Geschäftsleitung einer Bank dazu bei strenger Auslegung 30 Minuten täglich brauche. Und das betreffe auch die kleinste Bank, die mit Derivaten gar keinen Handel treibe.
Einige der Neuregelungen, die für die Banken lästig sein mögen, sind immerhin für die Verbraucher von Vorteil. So wurde zum Beispiel das Verbraucherkreditgesetz dahingehend geändert, daß nun bei Kreditverträgen der effektive Jahreszins angegeben werden muß. Dieses Gesetz sei „unbedingt notwendig“ gewesen, heißt es bei der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV). Manche Banken beschwerten sich zwar, daß durch die Novelle des Kreditwesengesetzes die Vergabe von Krediten schwieriger geworden sei. Doch an dieser Neuerung, sagt AgV-Sprecherin Helga Kuhn, seien die Geldinstitute selbst schuld: „Die Banken vergeben viel zu leichtfertig Kredite.“ Weil die meisten Banken „von sich aus nicht kundenfreundlich“ seien und die Verbraucher daher schon „viele schlechte Erfahrungen gemacht“ hätten, seien schärfere Gesetze zugunsten der Kunden nötig.
Doch viele der neuen Gesetze bringen den Kunden nichts – außer Kosten. Die neuen Regelungen haben den Volks- und Raiffeisenbanken in den vergangenen fünf Jahren nach eigenen Angaben 5,5 Milliarden Mark zusätzliche Ausgaben für Bürokratie beschert. Dies sei dreimal mehr, als die komplette Ausbildung der sechzehntausend Lehrlinge für die Banken zu Buche schlage. Wenn die Gesetze beibehalten, womöglich gar noch um weitere Vorschriften ergänzt würden, sieht Bankvorstand Schlachter die Konsequenzen für die kleinen Unternehmen schon nahen: „Wir werden in die Fusion getrieben.“ Bernward Janzing
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