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Geld verdienen mit Flaschen

Auf der ersten deutschen Existenzgründermesse erhofften sich viele Profit von den Jungunternehmern in spe. Viele Organisationen fehlten  ■ Aus Nürnberg Horst Peter Wickel

Auf der Suche nach der Wunderwaffe für den deutschen Arbeitsmarkt sind Politiker und Behörden jetzt auf den Existenzgründer gestoßen. Selbst auf dem direkten Weg aus der Arbeitslosigkeit in die Selbständigkeit schaffen es nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit Jahr für Jahr rund 70.000, und nach drei Jahren sind noch immer 70 Prozent am Markt. Dazu kommen weitere Arbeitsplätze, die von den Existenzgründern geschaffen werden – im Durchschnitt, so Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), vier zusätzliche Jobs pro Jungunternehmer.

So forderte Schirmherr Bernhard Jagoda, Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, und auch Stoiber bei der am Donnerstag erstmals in Nürnberg eröffneten Viertagemesse „Start – Existenzgründermesse für Deutschland“ denn auch mehr Mut und Risikofreude, eine neue Kultur der Selbständigkeit, eine neue Gründerwelle und „damit eine spürbare Entlastung des Arbeitsmarktes“. Doch die ist von den Jungunternehmern nicht unbedingt zu erwarten. Nach Angaben des Verbands der Vereine Creditreform werden Jahr für Jahr nach Abzug der Pleiten nur 60.000 Neuzugänge bei den Unternehmen registriert. Und das anhaltende Sterben von Unternehmen kostet mehr Jobs, als die Neugründungen bringen.

Eine Existenzgründermesse wie in Nürnberg paßt jedoch besser in die politische Landschaft – zumal in die bayerische – als der Ruf nach staatlicher Beschäftigungsförderung oder Verantwortung von Unternehmern. So sind bei „Start“ neben den bekannten Gründungsberatern von Kammern, Verbänden und Vereinen vor allem solche Anbieter vertreten, die sich von den Jungunternehmern Profit versprechen. Zum einen sind dies Städte und Regionen, die ihre leerstehenden Gewerbeflächen und Bürobauten vermarkten wollen, vor allem aus den neuen Bundesländern. Zum anderen finden Messebesucher unterschiedliche Geschäftsideen auf der Messe – Franchisegeber von der Preisagentur und der Computerschule über verschiedene Gastronomiekonzepte bis hin zum Vertrieb von Modeschmuck und dem „Sortiment hochwertiger Spirituosen, Essige und Öle, die wir dem Kunden in ausgefallene, formschöne Flaschen abfüllen“. Wer eine solche „Füllbar“ betreiben möchte, muß allerdings erst mehr als 50.000 Mark auf den Tisch blättern – für Franchisegebühr, Ladengrund- und Warenausstattung. „Der zu erwartende Jahresumsatz liegt zwischen 400.000 und 500.000 Mark und bietet die Basis für eine solide Existenz“, versichert der Lizenzgeber aus dem bayerischen Altusried.

Große erfolgreiche Franchisegeber wie McDonald's, Obi oder Eismann fehlen allerdings auf der „Existenzgründermesse für Deutschland“ ebenso wie der Deutsche Franchise-Verband. Deutschlands Großbanken überlassen das Feld den Sparkassen und Volksbanken, und Einrichtungen des Handwerks wie die Handwerkskammer sucht man vergebens. Dabei werden in den nächsten Jahren rund 200.000 Handwerksmeister aus Altersgründen für ihren Betrieb einen Nachfolger suchen.

Klaus Derbe, Geschäftsführer des Veranstalters International Marketing Partners, hofft auf mehrere 10.000 Besucher bei „Start“. Für Feburar 1999 hat er jedenfalls bei der Nürnberg Messe GmbH schon den nächsten „Start“-Termin angemeldet – vielleicht gegliedert in Nord- und Süddeutschland.

Vom handygeschmückten Nachwuchschef bis hin zum chancensuchenden Arbeitslosen reichte die Palette der Messegäste. Auch die zahlreichen Vorträge von Steuerberatern, Bankern, Personaltrainern oder erfolgreichen Jungunternehmern stießen auf Interesse. Und zumindest Poltikern bot das Rahmenprogramm gute Möglichkeiten zur Selbstdarstellung. Auf der Rednerliste war eher die konservative Seite vertreten: Vertreter des Bonner Wirtschaftsministeriums und der bayerischen Staatsregierung genauso wie CDU-Prominenz. Schließlich ist Wahljahr.

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