piwik no script img

Wohnungsdurchsuchung war illegal

■ Streit um die grundgesetzlich verbriefte und durchlöcherte „Unverletzlichkeit der Wohnung“: Amtsgericht erläßt einen Durchsuchungsbeschluß, das Landgericht hebt ihn jetzt nachträglich auf

Das Bremer Landgericht hat mit einem jüngst ergangenen Urteil eine staatsanwaltschaftliche Durchsuchung einer Wohnung für rechtswidrig erklärt. Begründung: Die „Unverletztlichkeit der Wohnung“in Artikel 13 des Grundgesetzes sei ein hohes Gut, die Durchsuchung verletze das Gebot der Verhältnismäßigkeit.

Der Vorgang ist brisant, weil auch auf ganz anderer Ebene derzeit um die „Unverletzlichkeit der Wohnung“durch den gerichtlich erlaubten Einbau von Wanzen („Großer Lauschangriff“) gestritten wird. Mit den Stimmen des Bremer Bürgermeisters und Justizsenators Henning Scherf ist im Art. 13 des Grundgesetzes die Tür für den „Großen Lauschangriff“geöffnet worden. Um die Ausführungsgesetze wird in dieser Woche im Bonner Vermittlungsausschuß verhandelt. Die Eingriffe in die „Unverletzlichkeit der Wohnung“durch die Bremer Staatsanwaltschaft finden dagegen eher lautlos statt. Im Januar hatte die Staatsanwaltschaft die Wohnung eines Studenten durchsucht mit der Begründung, sie müsse klären, ob dieser Student mit einem Flugblatt zu tun habe, das im Sommer an der Universität verteilt worden war. Darin war unter dem anonymen Namen „Komitees für unzensierte studentische Presse“ein anderer Student namentlich kritisiert worden und es war allgemein von einem „größten Denunzianten im Land“die Rede. Für die Staatsanwaltschaft war der Fall klar: Der Verdacht der Verleumdung durch ein Flugblatt rechtfertigte den Eingriff in das Grundrecht der „Unverletzlichkeit der Wohnung“.

Das Bremer Landgericht hat nun diesen Durchsuchungsbefehl aufgehoben und angeordnet, die sichergestellten Gegenstände (Computer und Unterlagen) müßten zurückgegeben werden. Begründung: „Die Durchsuchung ... steht nicht in einem angemessenen Verhältnis zur vorgeworfenen Straftat. Eine Durchsuchung stellt regelmäßig einen schwerwiegenden Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen dar ...“Die Verunglimpfung eines Studenten als „Denunziant“sei vielleicht eine „überspitzte Darstellung, Grobzeichnung und Überhöhung“, jedenfalls keine schwere Straftat, es gehe in der Sache „um einen politischen Meinungsstreit, bei dem ein robuster Sprachgebrauch nicht so schwer wiegt wie bei sonstigen Äußerungen über Personen.“

Am Tag, an dem dieses Urteil erging, durchsuchte die Bremer Staatsanwaltschaft die Räume des AStA und die Wohnung der Vorsitzenden des Bundesverbandes der Tierversuchsgegner in Bremen. Sie beschlagnahmte Computer und Unterlagen. Begründung: In einem Flugblatt von Tierschutzgegnern war vor einem Jahr mit Angabe der Telefonnummer dazu aufgerufen worden, den Neurobiologen Dr. Andreas Kreiter am Telefon kritisch zu seinen Affen-Experimenten zu befragen. Kreiter selbst hatte auch nachts Drohanrufe bekommen, die er mit diesem Flugblatt in Verbindung brachte. „Psychoterror“, urteilt die Bremer Staatsanwaltschaft, mit der Durchsuchung sollte geklärt werden, auf welchem Computer das Flugblatt geschrieben wurde. Die Anwälte der Bremer Tierversuchsgegner haben jetzt Beschwerde beim Landgericht gegen diese Durchsuchung eingelegt. Begründung: „Es ist (aus dem Durchsuchungsbeschluß) nicht ersichtlich, weshalb das behauptete Verhalten meiner Mandantin, nämlich für Flugblattaktionen verantwortlich zu sein, strafrechtlich relevant sein soll.“ K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen