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Und sie sind häßlich

■ Auf den Punkt gepunkt: The Dirtys und Moorat Fingers spielten im Tower

Im Tower wird gerade umgebaut. Deshalb fand das Konzert mit den Dirtys und Bremens Trash-Heroen Moorat Fingers in der kleinen Bar im ersten Stock statt. Das war gut. Denn es brachte die ZuhörerInnen in den Genuß einer verschwitzten Intimität, verstärkt noch durch die niedrige Bühne, die von einzelnen Akteuren auch mal in bodennaher Horizontale verlassen wurde.

Das ×uvre beider Bands behandelt in repetitiver Eintracht primäre Tugenden des Rock'n'Roll, den offensiven wie öffentlichen Konsum nicht nur legaler Drogen, die Verwendung schlimmer Vier-Buchstaben-Wörter und Sex. Getragen wird die Botschaft von einer formal schlichten Musik, die ihrem Tempo und der liebevoll schlampigen Umsetzung die Zuneigung zahlreicher Punkrocker verdankt, ansonsten aber eigentlich nur radikale Variationen auf steinzeitliche Blues-Schemata darstellt. Beide Bands trugen diesem Umstand durch den Einsatz einer Mundharmonika Rechnung.

Die Moorat Fingers sind eine der besten von nicht wenigen Bands, die in Bremen zur Zeit an solchen Sounds basteln. Vor allem auf der Bühne. Mit dem Charme eines amphetaminisierten Fernfahrers rezitiert ihr Sänger seine Reflexionen über retardierte Lebens- und Sterbensformen, wobei er sich nicht selten seinem Publikum nähert, um seine Botschaft unverfälscht transportieren zu können. Fuck, Yeah, Baby!

Die Dirtys aus Ann Arbor in Michigan machen das alles im Prinzip nicht anders. Sie dürfen es sich aber meinethalben als Verdienst anrechnen, das meiste überflüssig gemacht zu haben, was es sonst noch an zotigen Garagenpunk-Bands gibt.

Sie bringen auf den Punkt, was mit dem ganzen Garagentrash gemeint ist, und sind für ihr Genre vielleicht das, was Slayer für den Thrash-Metal war. Die Dirtys sind schneller als der Rest, sie bauen an scheinbar zufälligen Stellen in ihre Songs seltsame (okay, sagen wir unerwartete) Breaks ein, und sie sind häßlich.

Besonders Sänger und Bassist Screamin' Joe Burdick. Der sieht aus wie ein verdammter Redneck. Du würdest deiner kleinen Schwester verbieten wollen, mit ihm auszugehen. Und dieser Typ, dem da die Love-Handles, Speckröllchen, über die Jeans hängen, singt von der immerwährenden Party, von Sex und Sünde, und der letzte Song ihrer Platte heißt „Drink, Fight, Fuck!“Das ist „abwechslungsreich (und sonst gar nicht) wie die Ramones“, wie es ein Freund formulierte. Am Ende ihres Auftritts verhalf ein Polizist dann noch zu der Erkenntnis, gegen wen die Rebellion von Bands wie den Dirtys geht, und warum sie keinesfalls mit Revolution zu verwechseln ist.

Irgendeinem Nachbarn war es nämlich zu laut geworden. Da sprach einer der Dirtys-Gitarristen: „Fuck the Police, ich werde die ganze Nacht Party machen.“Und wenn die Polizei ihm seine Party erlaubt, dann gibt es auch keinen Grund mehr, sie zum Teufel zu wünschen. Andreas Schnell

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