: Deutsches Pflegegeld geht auch ins EU-Ausland
■ Ein Gewerkschaftssekretär aus dem Elsaß klagte: Deutsche Pflegeversicherung verstößt gegen europäisches Recht. Der Europäische Gerichtshof hilft GrenzgängerInnen und MigrantInnen
Freiburg (taz) – Gute Nachrichten für GrenzgängerInnen und rückkehrwillige ArbeitsimmigrantInnen: Wer Beiträge in die deutsche Pflegeversicherung einzahlt, kann Leistungen auch im EU-Ausland abrufen. Dies entschied gestern der Europäische Gerichtshof in Luxemburg.
Ausgelöst hat das Urteil der Grenzgänger und Gewerkschaftssekretär Manfred Molenaar, der zwar in Karlsruhe arbeitet, aber im nahen Elsaß wohnt. Monat für Monat wurden ihm und seinem Arbeitgeber, der IG Bergbau und Chemie, jeweils 0,85 Prozent seines Bruttogehalts für die Pflegeversicherung abgezogen. Leistungen hätte er aber dennoch nicht beanspruchen können, denn diese werden nur innerhalb Deutschlands gewährt. Molenaar klagte deshalb gegen die AOK Baden- Württemberg.
Mit Erfolg. Gestern erklärte der Europäische Gerichtshof, das Gesetz zur deutschen Pflegeversicherung verstoße gegen Europarecht. Das Gericht beruft sich dabei auf eine EU-Verordnung aus dem Jahr 1971, wonach Sozialleistungen auch in anderen EU-Staaten ausbezahlt werden müssen.
Dabei differenzierte der Europäische Gerichtshof: Sachleistungen wie Arzthonorare oder die Kosten für Pflegehilfsmittel werden nur soweit gewährt, wie es das nationale Recht am Wohnort vorsieht.
Für Geldleistungen gilt dagegen das deutsche Recht uneingeschränkt. Auch das Pflegegeld, mit dem Pflegeleistungen vor allem der Angehörigen honoriert werden, hält der Europäische Gerichtshof für eine exportierbare Geldleistung. Dies ist bedeutsam, denn 85 Prozent aller Leistungsberechtigten beziehen Pflegegeld. Der Anwalt des Klägers Molenaar, Wolfgang Schirp, bezeichnete das Urteil als „vollen Erfolg“. Es bringe Verbesserungen für rund 60.000 GrenzgängerInnen, die wie sein Mandant in Deutschland arbeiten, aber im EU-Ausland wohnen.
Auch rückkehrwillige ImmigrantInnen und auswandernde Deutsche können von dieser Entscheidung profitieren. Wer in Deutschland gearbeitet hat und seinen Lebensabend im EU-Ausland verbringt, muß auf das Pflegegeld nicht verzichten.
(Az.: C-160/96) Christian Rath
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen