: Ein Fummel ist ein Fummel
■ Seide über der Hüfte und eine „elegante Art, zu rauchen“: Künstler Blessless Mahoney im taz-Interview über das Gefühl, eine Frau zu sein
taz: Warum Frauenfummel?Blessless Mahoney: Es macht Spaß, Fummel anzuziehen und sich in eine andere Person zu verwandeln. Eigentlich ist Fummel für mich Fummel und nicht spezifisch Frauenfummel. Ich nehme mir die Freiheit, sogenannte Frauen- und/oder Männerkleidung an mir zu kombinieren, wobei in der Tat die Kleidung, die man Frauen zuschreiben würde, bei meinen Outfits überwiegt. Hier, dies ist mein Lieblingskleid, das mit den türkisen und blauen Blumen. Ich ziehe das einfach gerne an, es ist ein so angenehmes Gefühl auf der Haut. Rohseide eben.
Ist Frausein eine Frage der Kleidung?
Was ich für mich eindeutig mit Frauen verbinde, ist Eleganz. Und diese Eleganz finde ich viel interessanter und spannender als bei Männern. Wie Frauen sich auf einen Stuhl drapieren können, die Linie ihrer Beine, ihre ganze Haltung, oder die Art, wie sie Zigaretten halten und an den Mund führen.
Was ist denn nun so toll daran, einen Rock zu tragen? Wie sieht es denn da mit der Beinfreiheit aus oder, platt gesagt, damit, daß man nichts Beengendes im Schritt hat?
Ja, das stimmt. Die Beinfreiheit ist schön, und das korrespondiert dann auch mit dem Gefühl des Stoffes um die Beine und auf der Haut. Apropos Gefühl, also, die Leitidee unseres Gespräches ist ja „das Gefühl, eine Frau zu sein“, eigentlich kann ich natürlich nur über das Gefühl, eine Tunte zu sein, erzählen. Weiß ich denn, ob eine Frau das ebenso angenehm findet, weite oder enge Röcke zu tragen? Meine Assoziation zu engen, langen Röcken ist Diana Ross. Was die Sache für mich spannend macht, ist, daß ich Kleidung und Verhaltensweisen aufgreife, die als weiblich definiert werden, gesellschaftlich anerkannt und oft kaum hinterfragt, und da ist die Brücke zwischen Frau und Tunte.
Hast du als Aufgefummelte anderen Sex?
Unter Tunten gibt es da so einen Spruch: Wenn du aufgebretzelt ausgehst, hast du eine Menge Spaß, aber keinen Sex.
Warum?
Weil du mit dem Outfit nicht attraktiv, also sexuell attraktiv meine ich, auf einen schwulen Mann wirkst. Wenn ich mich entschieden habe, im Fummel zu gehen, habe ich mich damit gleichzeitig auch entschieden, keinen Sex zu haben. Das wäre zwar gerade im Fummel mal etwas Besonderes, und ich würde es sofort allen erzählen. Ich glaube, Frauen bretzeln sich aus ähnlichen Gründen auf. Sie wollen klasse aussehen und Spaß haben, wobei klar ist, daß Spaß nicht gleich Sex ist.
Was ist mit Heteros?
Mit Heteros, gerade auf St. Pauli, habe ich einfach zu schlechte Erfahrungen gemacht. Wenn die dann im besoffenen Rudel auftreten, einen anpöbeln: „Komm her, ich besorgs dir!“oder „Willst du eins auf die Fresse?“, darauf kann ich wirklich verzichten. Eine Empfindung, die ich vermutlich mit Frauen, die schon derart belästigt worden sind, teile. In meinem Fall waren das nicht nur sexuelle Anmachen, sondern einfach Prollreaktionen darauf, „aha, da ist ein Mann, der schminkt sich weibisch“, und das verunsichert schlichte Gemüter und wird verachtet.
Machen Fummel mutiger?
Mut, das hört sich heroisch an, aber ich denke, ja, es gehört schon Mut dazu, und somit macht es mutiger. Männer, die ich toll finde, kann ich zwar als Tunte nicht bekommen, aber ich kann sie ansprechen, mit ihnen schäkern, sie anmachen. Was ich mich nicht aufgefummelt nicht trauen würde, denn eigentlich bin ich schüchtern. Umgekehrt wagen es auch viel mehr Männer, mich anzusprechen, weil ich im Fummel bin, als sei das ein Ich-tu-dir-nix-Signal. Mutiger auch, mit der eigenen Körperlichkeit zu spielen, den Rock hochzuheben oder sich superdrollig zu verhalten und zu gucken, was passiert. Das genieße ich.
Wann hast du dich das erste Mal als Frau verkleidet?
Vor sieben Jahren. Wir kennen ja das Klischee vom schwulen Friseur, also meine Eltern besitzen zwar ein Friseurgeschäft, sind aber nicht schwul. Und als Kind fand ich die Plastikumhängemäntel faszinierend und habe mir daraus einen Rock gemacht, dazu eine Perücke aufgesetzt und habe meiner Familie ein Showprogramm geliefert.
Was findest du an dir als fummelloser Mann schön, was als Aufgeputzte?
Wenn ich ehrlich bin, finde ich den Bogen über meinen Hüften schön. Das ist wie eine weibliche Taille und kommt im Kleid natürlich noch viel besser zur Geltung. Im Moment kann man das nicht so gut sehen, ich habe leider zugenommen - vermutlich ein spezifisch weiblich definiertes Problem, die Sorge um die Figur, oder? Und außerdem habe ich in Strumpfhosen wirklich schöne Beine.
Nimmst du öfter ein Taxi, wenn du aufgefummelt nachts nach Hause willst?
Ja, das geht echt ins Geld. Und wenn du dich so zurecht machst, bist du für viele Idioten gleich Freiwild. Und von wegen „das Gefühl, eine Frau zu sein“, ich denke in bedrohlichen Situationen eher daran, eigentlich will ich keine sein. Immer dieses Reflektieren, wie wirke ich, muß ich mich jetzt fürchten, kann ich so über die Straße oder gar durch den Park gehen. Wobei nun die Frage zu stellen wäre, fühlen Frauen das so oder ist das nur meine Sichtweise im Fummel? Das ist aber nur ein Aspekt von vielen, mit denen ich mich befasse, wenn ich im Fummel bin, aber auch nicht ständig, weil es darum geht, Spaß zu haben und sein zu können, wie ich bin.
Gibt es Konkurrenzgehabe unter Tunten?
Ja, das ist menschlich. Um das Objekt der Begierde und um Aufmerksamkeit. Natürlich mit Niveau! Aber eigentlich kann ich es nur nicht gut haben, wenn sich jemand, der meint, eine Tunte zu sein, keine richtige Mühe beim Aufputzen gibt. Nix gegen schäbige Perücken und Trash, aber das Herz sollte schon dabei sein, sonst ist es Karneval. Zickigkeiten gehören schon irgendwie dazu. Das ist nicht unbedingt typisch Tunte oder typisch Frau. Jede kann's und jede hat's.
Gehst Du aufgefummelt aufs Mädchenklo?
Manchmal, weil Hinsetzen tu ich mich eh immer. Aber es gibt Frauen, die damit nicht umgehen können, für die bin ich ein Mann. Im schlimmsten Fall einer, der mit seinem Aufzug Frauen verarschen will, was ich ja nicht will. Aber solche Momente sind eher unpassend, um eine Diskussion über Geschlechterdekonstruktion anzufangen. Fragen: Birgit Glombitza
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