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Abstrafung für FDP-Chef Matz

■ Parteivorsitzender Matz fiel bei der Nominierung der Kandidaten für den Bundestag durch, obwohl er dies zur Vertrauensfrage erhoben hatte

Die Berliner FDP gönnt ihrem Landesvorsitzenden nicht einmal den aussichtslosen dritten Platz der Landesliste für die Bundestagswahl. Martin Matz unterlag in einer Kampfabstimmung auf dem gestrigen Parteitag mit 150 zu 180 Stimmen deutlich dem in der Öffentlichkeit nahezu unbekannten FDP-Politiker Peter Tiedt.

Dabei hatte Matz seine Kandidatur am Tag zuvor als „Vertrauensabstimmung“ für den Landesvorsitzenden bezeichnet. „Ich habe nicht das Vertrauen erhalten, das ich angefragt hatte“, gestand er nach der Wahl ein. Zu möglichen Konsequenzen wollte er sich jedoch nicht äußern. Zunächst werde er sich mit Parteifreunden „unterhalten, wie man das Ergebnis deutet“.

Die Liberalen haben es also nicht honoriert, daß Matz seine angekündigte Kampfkandidatur gegen die frühere Landesvorsitzende Carola von Braun um den aussichtsreichen zweiten Listenplatz zurückgezogen hatte. Den ersten Platz der Landesliste gewann Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt mit 191 zu 135 Stimmen gegen den früheren Fraktionsvorsitzenden, Axel Kammholz. Matz hatte in seiner Rede Rexrodt als Kandidaten für die Wirtschaft, von Braun als Vertreterin der „sozialen Sensibilität“ und sich selbst als Vertreter der „jungen Generation“ bezeichnet.

Der kürzlich erst wiedergewählte Landesvorsitzende wertete seine Abstrafung als Zeichen eines „großen Chaospotentials“ in der Berliner FDP. Sie sei das Ergebnis einer „merkwürdigen Konstellation“. Tiedt habe mit seiner Kandidatur dem rechten Flügel, der eigentlich in der Minderheit sei, zu einer Mehrheit gegen den Landesvorsitzenden verholfen. Die Delegierten hätte „extreme Schwierigkeiten, Mehrheiten zu akzeptieren“.

Matz führte seine Niederlage auch auf seine vergleichsweise offene Haltung gegenüber dem Massenbeitritt von rund 2.700 Studierenden zurück. Matz hatte am Samstag die Ortsverbände davor gewarnt, die Beitrittserklärungen pauschal abzulehnen. Diese Haltung hatte in Teilen der Partei für großen Unmut gesorgt.

Die Anträge verteilen sich sehr ungleich auf die einzelnen Bezirke. Nach Angaben eines Sprechers des „Projekts Absolute Mehrheit“, Enrico Rudolph, drängen in Friedrichshain und Prenzlauer Berg etwa achtmal so viele Studierende in die FDP, als die Partei dort Mitglieder hat. Auch in Wedding, Kreuzberg, Tiergarten, Neukölln, Schöneberg, Lichtenberg und Charlottenburg gebe es mehr Anträge als FDP-Mitglieder.

Auf dem Landesparteitag am Samstag hatte der FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Gerhardt die Kritik der CDU am Abstimmungsverhalten der FDP im Bundestag zum Lauschangriff zurückgewiesen. Die Union habe offenbar vergessen, wie lange die Liberalen innerparteilich um das Thema der Kriminalitätsbekämpfung gerungen hätten, sagte Gerhardt.

Die FDP habe sich ihre Entscheidung nicht leichtgemacht, und es dürfe keinen Zweifel an ihrer Koalitionstreue geben. „Diese Abstimmung darf nicht als Weg zu anderen Ufern verstanden werden.“ Bei der Abstimmung im Bundestag hatten neun FDP-Abgeordnete mit der Opposition gestimmt. Ralph Bollmann

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