Das Portrait: Der Kapitän der Deutschen wankt
■ Jürgen Klinsmann
Jürgen Klinsmann ist der Kapitän der deutschen Fußball- Nationalmannschaft.
Das ist schon lange das Problem – für manche.
Da der Kapitän nun nach einem Streit seinem englischen Klub Tottenham Hotspur zum Saisonende kündigte, hat auch Berti Vogts ein Problem. Der bei Hotspur angestellte Klinsmann kann sich im Moment offenbar nur auf eines konzentrieren – die WM in Frankreich. Dabei droht er nun die Nerven zu verlieren.
Die beispiellose Stürmer- Kampagne des letzten Jahres, angeführt von den Springer-Blättern Bild und Sport- Bild, hatte von Anfang an nur eines im Sinn – den selbstbestimmten Fußballer loswerden, um den verlorenen Einfluß auf das Thema Nummer eins zurückzugewinnen, den man durch den Kapitänswechsel von Matthäus zu Klinsmann eingebüßt hatte.
Im Laufe der Monate hat die Anti-K.-Kampagne dermaßen manische Züge angenommen, daß man sich geradezu wünschen muß, der Kapitän möge es nach Frankreich schaffen, nur um das Gejaule nicht hören zu müssen, das erklänge, wenn die Feinde den schwäbischen Skalp glücklich doch noch bekommen sollten.
Abgesehen davon bleibt die Frage: Ist Klinsmann mit 33 nach 100 Länderspielen (und 43 Toren) noch gut genug? Sagen wir so: Was der spätere Ehrenspielführer Uwe Seeler tat, als er sich in Mexiko 33jährig in zweiter Linie aufrieb, um die Tormaschine Müller in Stellung zu bringen, ist seit längerem Klinsmanns Spiel. Natürlich ist Klinsmann im Moment nicht in Topform, aber es ist von rührend böswilliger Ahnungslosigkeit, wenn ihm schlichte Feinde vorrechnen, er habe soundsoviele Minuten kein Tor geschossen. Klinsmann ist erstens der Mann, der die Verteidigung organisiert. Zweitens ist er der Mann, der den Sturm organisiert. Mehr nicht.
Im übrigen gibt es einen Trainer, mit dem Klinsmann bestens auskommt. Das heißt nicht, daß er ihm einfach gehorcht. Nur weil das so ist, gilt Berti Vogts heute gewissermaßen als Erfolgstrainer. Nun wird man ihm per Gehirnlos-Wäsche noch heftiger einschreien, er könne mit Klinsmann nicht Weltmeister werden. Das mag ja stimmen. Aber wenn es stimmt, dann wird er es ohne ihn auch nicht. Also: Vogts und Klinsmann sollten in sich gehen und das wirklich Schöne tun: Leck mich, Bild, sagen; und die Sache knallhart durchziehen. Peter Unfried
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