: Schulden brüderlich geteilt
Stabilitätspakt in Deutschland: Wie teilen sich Bund und Länder die nach der Euro-Einführung noch erlaubte Schuldenmenge? Und wer zahlt notfalls das Bußgeld? ■ Von Hermannus Pfeiffer
Hamburg (taz) – Die Zeit drängt. Dringend gebraucht wird ein Stabilitätspakt in Deutschland, verlautet aus Bonn. Denn nach der wundersamen Erfüllung des Maastrichter Defizit-Kriteriums durch 14 der 15 EU-Staaten erhält der fast vergessene Stabilitätspakt prickelnde Aktualität. Der von Bundesfinanzminister Waigel im letzten April europaweit durchgesetzte Stabilitätspakt sieht einen deftigen Strafenkatalog für neue Haushaltslöcher nach Einführung des Euro vor (s. Kasten). In den vier föderalen Staaten Belgien, Österreich, Spanien sowie in der Bundesrepublik muß die EU-Verordnung 1467/97 aber noch auf die einzelnen Landesteile umgelegt werden.
Die deutschen Bundesländer wollen sich offenbar alsbald auf einen Kompromiß für einen sogenannten Innerstaatlichen Stabilitätspakt einigen. Als Ziel scheint der 1. Mai markiert zu sein, der Tag, an dem die Euro-Teilnehmer ausgewählt werden. Am kommenden Donnerstag steht das Thema auf der Tagesordnung der Länderfinanzminister.
„50 ist eine gute Zahl“, meint Finanzminister Waigel. Er würde die Neuschulden am liebsten fifty-fifty aufteilen, eine Hälfte für Länder und Gemeinden, die andere Hälfte für den Bund. Wer über dieses Ziel hinausschießt, müßte Strafe zahlen. Die Länder fordern statt dessen einen Anteil von 60 Prozent. Die ansonsten zerstrittenen Länderfinanzminister hatten sich bereits im Oktober auf diesen Wunschwert geeinigt. Gestritten wird weiterhin darüber, wer und in welchem Umfang künftige Finanzstrafen bezahlen soll. Eine Arbeitsgruppe aus Staatssekretären soll sich entlang der Linie Arm– Reich aufgespalten haben. Die Reichen, wie Baden-Württemberg und Bayern, wollen die EU-Strafen nach dem Verursacherprinzip verteilen. Die Armen wollen Bußgelder lieber nach dem Modus des Länderfinanzausgleiches umverteilen – arme Bundesländer blieben dann nahezu straflos. Zugleich pochen Ostler auf einen größeren Spielraum für neue Kredite als die ohnehin überschuldete Westkonkurrenz. „Der Langmut des Bundes ist bald zu Ende“, wird jetzt im Umfeld des Bundesrates vermutet. Ein Experte: „Spätestens im April muß der Innerstaatliche Stabilitätspakt entschieden sein.“
Handlungsbedarf besteht auch aufgrund der aktuellen Schuldenzahlen des Statistischen Bundesamtes. Denn der Bund konnte seinen Haushalt 1997 entlasten: Die Neuverschuldung sank von 68,7 auf 58,6 Milliarden Mark. Das Defizit der Länder hingegen zog wieder kräftig an, von knapp 44 auf über 47,4 Milliarden D-Mark. Zusammen mit den Gemeinden erreichten sie damit ziemlich genau die Hälfte der deutschen Neuschulden nach EU-Norm von 96,5 Milliarden Mark.
Legt man nun die Waigelsche Halbe-halbe-Lösung zugrunde, hätten die Bundesländer insgesamt zwar das Euro-Kriterium erfüllt, aber viele einzelne Länder eben nicht: Nach den bislang nur vorliegenden Zahlen für 1996 hätten alle Ostländer das Klassenziel verfehlt, aber auch Hamburg, Rheinland-Pfalz und wohl Schleswig-Holstein. Am dramatischsten stellt sich die Euro-Lage in Berlin dar: Die Neuverschuldung war gleich um ein Vierfaches zu hoch.
Dieter Vesper möchte den Länderrahmen trotzdem noch enger zurren: Der Anteil an den künftigen Schulden solle deutlich kleiner ausfallen als die selbst von Waigel vorgeschlagene halbe Portion, argumentiert der Haushaltsexperte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. „Immerhin trägt Bonn eine größere konjunkturelle Verantwortung als die Länder.“ Zudem müsse die Bundesregierung in Krisenzeiten die teure Sozialversicherung stützen und trage ohnehin letztlich die stabilitätspolitische Gesamtverantwortung.
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