: Dänischer „Grenzen zu!“-Wahlkampf
■ Der Sozialdemokratie droht der Verlust der Regierungsmacht. Die Rechte machte die Flüchtlingsfrage zum Zentrum des Wahlkampfes
Kopenhagen (taz) – Gerade drei Wochen sind zwischen der Ausschreibung von Neuwahlen und dem Wahltermin vergangen. Wenn die DänInnen morgen zu den Wahlurnen gehen, haben sie den kürzesten Wahlkampf ihrer parlamentarischen Geschichte hinter sich. Die Zeit reichte nur für ein einziges wirklich heißes Wahlkampfthema: Flüchtlings- und AusländerInnenpolitik. Vier der sieben bürgerlichen Parteien – insgesamt konkurrieren elf Parteien um die WählerInnengunst – haben ein deutliches „Die Grenzen zu“ im Programm stehen. Und die SozialdemokratInnen glauben, der flüchtlingskritischen Stimmung im eigenen WählerInnenlager Tribut zahlen zu müssen, und reiten auf dieser Welle mit.
Ein Neuling, der schon bei der Kommunalwahl im Herbst vergangenen Jahres den etablierten Parteien das Fürchten lehrte, gab den Ton an: Die „Dänische Volkspartei“ mit ihrer charismatischen Führerin Pia Kjaersgaard. Mit dem Motto „Wählt dänisch!“ kann sie nach den letzten Meinungsumfragen aus dem Stand auf 9 Prozent kommen und damit viertstärkste Partei im Folketing werden.
Angesichts solcher Aussichten glaubte auch die größte Oppositionspartei „Venstre“ mithalten zu müssen und verspricht den DänInnen technisch und personell perfekt bewachte Grenzen und Gesetzesverschärfungen, die ein für allemal verhindern sollen, daß Dänemark zum „Flüchtlingsmagneten“ wird.
Die Verschärfung des Ausländerrechts seitens der sozialdemokratischen Regierung – vor allem eine Absenkung der Sozialhilfeleistungen unter das „dänische“ Niveau und eine Verlängerung der Wartezeiten bis zur Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen und Einbürgerungen – halten 31 Prozent der eigenen WählerInnenschaft für zu schlapp. Bei den AnhängerInnen der bürgerlichen Opposition teilen 54 Prozent diese Meinung.
Paradox an der gesamten Diskussion ist nur, daß schon jetzt die Flüchtlingspolitik des Landes so stramm ist, daß es jede weitere Verschärfung in Konflikt mit der UN-Flüchtlingskonvention bringen würde. Und weniger der Wahlausgang selbst als Ereignisse in Krisengebieten und übernationale Entscheidungen in Brüssel dürften den Umfang des zukünftigen Flüchtlingszustroms nach Dänemark steuern.
Alle Meinungsumfragen signalisierten zwei Tage vor der Wahl Oppositionsführer und Venstre- Vorsitzendem Uffe Ellemann-Jensen einen Sieg über Ministerpräsident Rasmussen. Nicht weil die Sozialdemokratie vor einem allzu katastrophalen Wahlergebnis zu stehen scheint – sie dürfte mit rund einem Drittel der Stimmen die Position von vor vier Jahren ungefähr halten –, sondern weil ihre damaligen Koalitionspartner, die „Zentrumdemokraten“, den Partner gewechselt und sich ins bürgerliche Lager geschlagen haben.
Haben die MeinungsforscherInnen recht, wird es damit eine recht inhomogene Koalition aus drei bis sechs bürgerlichen Parteien geben, die sich von Fall zu Fall Mehrheiten suchen muß.
Auch die nächste Abstimmung in diesem Jahr verspricht spannend zu werden: Am 28. Mai werden die DänInnen über die Amsterdamer EU-Verträge abstimmen. Dieses Thema versuchten die großen Parteien ganz aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Reinhard Wolff
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