Fröstelnde Stiefmütter

Frühreife Krokusse und erbärmliche Primeln: Wetter verwirrt Blumen und Hobbygärtner  ■ Von Kaija Kutter

Nein, davon laß ich mich nicht verlocken, schwor ich mir, als ich sie Mitte Februar in greller Pracht auf dem Wochenmarkt sah. Stiefmütterchen, blau und gelb, dazu Murmelblümchen in Rosa, leuchteten aus den Spankörben der Blumenhändler, als ob Winter ein Fremdwort für die wäre. „Geduld, alles zu seiner Jahreszeit“, hatte meine Mutter mir gepredigt, als ich Anfang November die Lichterketten ins Fenster hing. „Viel zu früh, viel zu früh“, rügte sie die bunten Plastikeier, die ich gleich am 1. Februar, als es sie bei „Schlecker“gab, in den Garten gehängt hatte. Dunkelheit aushalten, vorfrühlingshafte Tristesse erdulden, dann sei die Erlösung um so schöner.

Und nun waren es ausgerechnet meine Erzeuger, die mir am 1. März eine Kiste mit 20 knallgelben Stiefmütterchen schenkten. Der Blumenhändler auf dem Wandsbeker Wochenmarkt habe ihre Herzen erweicht. Die Freilandblumen seien wegen des milden Winters schon pflanzbereit, die Leute würden aber nicht kaufen, hatte der geklagt und meinen Eltern auf die fünf Kisten Viola Tricolor Maxima noch zwei Narzissentöpfe als Geschenk draufgepackt. Die Freude über den gelungenen Kauf wurde indes umgehend durch die Nachbarin getrübt, die mahnend raunte, man dürfe noch nicht pflanzen, der Landfunk habe vor Nachtfrost gewarnt.

So versehen mit widersprüchlichen Prognosen machte ich mich ans Einpflanzen der gelben Stiefmütterchen, denen ich noch eine gleiche Anzahl blauer Gefährten hinzugesellt hatte. Und als ich die Gewächse so aus ihrer Spankiste befreite, überkamen mich mütterliche Gefühle. In der Enge waren einige Stengel schon verschimmelt und vermodert. Liebevoll knipste ich sie ab und war mir sicher: Diese Pflanzen brauchen Erde. Diese Geschöpfe darf man nicht einfach wegschmeißen, nur weil das Wetter verrückt spielt und schon Silvester erste Krokusknospen sprießen ließ. Eine halbe Stunde nach getaner Arbeit sah mein Garten wie rausgeputzt aus. Eine Viertelstunde später war alles weiß – vom Eishagel. Das macht nichts, die halten das aus, beruhigte mich mein Vater. Aber wie soll man sich da sicher sein?

Ulrich Passon von der Umweltbehörde weiß Rat: Die, die auf dem Feld gewachsen sind, kann man pflanzen, die, die aus dem Treibhaus kommen, nicht. Er selbst habe der Verlockung nicht widerstehen können und Primeln gekauft, „die sehen jetzt ganz erbärmlich aus“. Das sieht die Blumenfrau auf dem Markt, die mir ein paar rosa Murmelblumen verkauft, anders: „Unsere Treibhäuser sind gar nicht geheizt, was darin wächst, ist abgehärtet und hält Frost aus.“„Nee“, schüttelt der Händler zwei Stände weiter den Kopf. Treibhausblumen, da müsse man noch warten. Seine Freilandpflanzen hingegen, die halten was aus, die seien von selbst schon so groß, daß er sie kaum noch verkauft kriegt.

Die Recherche zieht sich hin, eine Primel hier, eine Narzisse dort, mein Blumenkorb wird immer voller und mein Garten plötzlich ziemlich bunt. Dabei hat das Seewetteramt Nachtfrost bis minus fünf Grad vorhergesagt. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, denke ich mit einemmal ziemlich gnadenlos, wenn das eine oder andere Ding hier erfriert. Ich werde die Sache jetzt der Natur überlassen.