Juden sahen die dunkle Seite der Revolution

■ Bei den 1848er Bauernaufständen gab es Übergriffe auf Juden. Schmähbrief gegen Bubis

Buchen (taz) – Glasscherben überall am Boden einer Vitrine des Bezirksmuseums Buchen im Odenwald. Und an der Fensterfront Schmähschriften und Drohbriefe gegen Juden aus den ersten Märztagen 1848. „Nichts als Christen betrügen ist der Hauptzweck der Juden.“ Oder: „Wir sind ein geschworener Bund, und es bleibt darum kein Judenkind im Mutterleib verschont.“

Ein Schmähbrief auch am Montag zur Eröffnung der Ausstellung „Heute ist Freiheit – Bauernkrieg im Odenwald 1848“ in Buchen. Gegen Ignatz Bubis, der als Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg als Ehrengast geladen war. Das ist Kontinuität deutscher Geschichte.

1848 zeigte sich auf dem Lande im Großherzogtum Baden, im Königreich Württemberg, im Königreich Bayern und im Großherzogtum Hessen-Darmstadt „die dunkle Seite der Revolution“, so Roland Peter vom Haus der Geschichte. Vielleicht habe nur die schnelle Stationierung von Soldaten im Kraichgau und im Odenwald die anonym angekündigten Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung verhindert; vielleicht waren es aber auch nur leere Drohungen. Die Juden auf dem Lande waren schließlich selbst arme Teufel, Hasenscherer und Kesselflicker und nur selten die geschmähten „Wucherer und Ausbeuter“. Vielfach hätten christliche Familien ihren jüdischen Nachbarn Schutz und Unterkunft gewährt, berichtet Peter, während in den Dörfern der Mob tobte. Aber da gebe es noch „Forschungsbedarf“.

Juden wurden in diesen Märztagen 1848 „mißhandelt“, wie zahlreiche Quellen belegen. Ihre Häuser wurden zerstört oder beschädigt. Tote gab es keine. Bis auf eine jüdische Frau in Krautheim, die „infolge solcher Schrecken mit einem todten Kinde niedergekommen und darauf selbst gestorben ist“. Die Wucht der Erhebung der ausgebeuteten Bauern richtete sich gegen die lokalen und regionalen Standesherren und die Vertreter der Regierungen. Schlösser und Burgen gingen in Flammen auf, Rathäuser und Magazine wurden gestürmt, Pfand- und Zehntbücher verbrannt.

„Der Bauernkrieg von 1525 ist förmlich wieder entbrannt“, vermeldete die Deutsche Zeitung am 6. März 1848. Bei den zur Revolution bereiten Demokraten und Republikanern der badischen Kammer aber freute sich keiner über die Aufstände der Bauern. Im Gegenteil. Die Übergriffe gegen die jüdische Bevölkerung sorgten dort für einen letzten Schulterschluß auch der „Linken“ um Friedrich Hecker und Clemens von Brentano mit dem Großherzog. Truppen wurden in die Aufstandsgebiete verlegt. Und Hecker konstatierte: „Nachdem der losgelassene Hund die Kraft seiner Zähne gezeigt hat, sollte man ihn wieder an die Kette legen.“

Die Glasscherben in der Vitrine im Bezirksmuseum von Buchen? „Natürlich sollen sie Assoziationen zur sogenannten Reichskristallnacht 1938 provozieren“, sagt Paula Lutum-Lenger, Leiterin des Hauses der Geschichte für die Projekte der 1848er Revolution. Ignatz Bubis legte in seiner Festansprache Wert auf die Feststellung, daß Juden 1848 nicht nur Opfer von Ausschreitungen gewesen seien, sondern in der Revolution auch eine aktive Rolle gespielt hätten. Die Paulskirchenverfassung hatte den Juden in Deutschland gleiche Rechte zuerkannt. Bubis: „Es gibt Revolutionen, die man begrüßen muß.“ Klaus-Peter Klingelschmitt