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Smells like ABM

„Mitternacht im Garten von Gut und Böse“ – Clint Eastwood verfilmt den Bestseller von John Berendt  ■ Von Thomas Winkler

Der Hollywood-Tratsch geht so: John Berendt soll die Drehbuchadaption seiner eigenen literarischen Vorlage abgelehnt haben, weil er nicht wußte, wie er aus „Mitternacht im Garten der Lüste“ einen Film mit weniger als 25 Stunden Laufzeit hätte machen sollen. Es hat sich dann natürlich doch jemand gefunden, der das übernahm, aber der hatte offensichtlich genau dasselbe Problem.

In Berendts Original, das sich fast vier Jahre nach seinem Erscheinen immer noch in den US- Bestsellerlisten hält, spielt die Stadt Savannah die Hauptrolle, und das ziemlich uneingeschränkt. Vieles dort erinnert an New Orleans, aber man stolpert nicht permanent über Touristen – jedenfalls bevor Berendts Buch erschien. Die Hafenstadt im tiefsten Süden der USA hat schon einmal bessere Zeiten gesehen, aber der New Yorker Journalist verfiel vor mehr als zehn Jahren trotzdem ihrem bröckelnden Charme.

Getarnt hat Berendt seine Liebeserklärung als eine auf Tatsachen beruhende Aufarbeitung eines Kriminalfalls: Am 2. Mai 1981 erschoß der zu reichlich viel Geld gekommene Antiquitätenhändler Jim Williams (Kevin Spacey) seinen jugendlichen Liebhaber, der sonst als Stricher arbeitete. Im Laufe des Verfahrens trat eine obskure Mischung aus Südstaatenstolz, Homophobie und Neureichenneid zutage.

In seiner Verfilmung hat Clint Eastwood versucht, im Sinne der Stadt Regie zu führen, und auch John Lee Hancock, der Eastwood schon das Buch für „Perfect World“ geschrieben hatte, will in seiner Umsetzung diesen Geist retten, aber „Mitternacht im Garten von Gut und Böse“ ist dann doch wohl ziemlich exakt 22 1/2 Stunden zu kurz geraten.

Die Kamera fliegt über Savannah, K.D. Lang säuselt „Skylark“, wir beginnen ganz gemächlich. Und das ist gut, und das ist schlecht. Zum einen ist es eine Erholung, eine Wohltat, endlich mal wieder einen Film zu sehen, der nicht in MTV-Schnitten der Psyche eines Serienkillers hinterherhetzt, sondern einem Ort Platz zum Atmen gibt, der eine Stadt erfahrbar macht. Und sich dafür Zeit läßt. „Wie Vom Winde verweht auf Mescalin“, versucht der Protagonist John Kelso, Berendts Alter ego, seinem Verleger die Atmosphäre nahezubringen.

Da kann man sich aber besser eine Dokumentation angucken, denn als Film will der Film überhaupt nicht in Gang kommen. Hancock hat nahezu jeden Humor aus der Vorlage getilgt und Eastwood dafür gesorgt, daß es kein Geheimnis mehr zu entdecken gibt. Der Mord passiert, und das, was der Leser im Buch erst langsam in Erfahrung bringt, das, was das Buch am Laufen hält, sieht der Zuseher, wenn er nicht völlig verblödet oder blind ist, von Anbeginn: die homosexuelle Beziehung zwischen Opfer und Täter und die sich daraus ergebenden kriminologischen und gesellschaftlichen Verwicklungen.

Bei Eastwood gibt die Homosexualität während des Prozesses aber nur einen Farbtupfer ab, ansonsten hätte Williams auch eine hysterische Ehefrau erschießen können. Die Schwulen in den USA waren denn auch recht entrüstet. Statt dessen wird der brave Hetero Kelso, der im Buch nicht einmal so heißt, zur Hauptfigur gemacht und ihm eine – ebenfalls im Buch nicht existente – Liebesgeschichte angedichtet mit einer Sängerin, die dann auch noch von Eastwoods Tochter Alison gespielt wird. Das riecht nach ABM.

Ein wenig retten die Schauspieler. Spacey ist ganz sein übliches großartiges Selbst, und selbst Cusack ist in Ordnung, aber beide haben keine Chance gegen Lady Chablis, den Transvestiten, der seit Berendts Buch eine nationale Berühmtheit ist und sich im Film höchstpersönlich selbst spielt. Aber zu mehr als einer Nummernrevue taugt das dann auch nicht, in die sich übrigens auch all die liebenswerten Spinner Savannahs einordnen, die Voodoopriesterin, der Mann, der immer eine Hundeleine ohne Hund Gassi führt, und der Verrückte, der sich Fliegen als Haustiere hält.

Vielleicht ist ja wirklich alles nur eine Frage der Zeit. Vielleicht wären 25 Stunden tatsächlich ganz grandios geworden. Vielleicht sollte man in der Zeit einfach das Buch lesen. Vielleicht sollte man noch auf den Directors Cut warten. Eastwood, so geht das Gerücht, soll selbst schon zwei Stunden rausgeschnitten haben.

„Mitternacht im Garten von Gut und Böse“. Regie: Clint Eastwod. Mit Kevin Spacey, John Cusack, The Lady Chablis. USA 1997, 155 Min.

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