: Per Maus-Klick ins Archivmaterial
■ Interaktives Archiv in Gedenkstätte Neuengamme vorgestellt
„Die Kombination Museum und Computer hat vor Jahren bei den Direktoren noch Panik ausgelöst“, sagte Kultursenatorin Christina Weiss gestern in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, wo sie das neue interaktive Besucher-Archivsystem vorstellte. Nach Absturz und Neustart des bereits im Mai installierten Systems hat nun die Realität in den Zeiten des boomenden Internet auch die KZ-Gedenkstätte in Neuengamme erreicht.
„Das System soll das Blättern im Archiv simulieren“, erläuterte Herbert Hötte, der pädagogische Begleiter des Projektes, das die laufende Ausstellung Über-Lebens-Kämpfe ergänzt. Bis auf wenige personengeschützte Dokumente können sich die Besucher per Maus-Klick völlig frei durch Fotos, Berichte und Dokumente bewegen – interaktiv eben.
Ausgehend von einer Karte Norddeutschlands erfährt man über die Ausstellung hinaus etwas über die 85 Außenlager von Neuengamme. Etwa, daß das in Sasel 497 Frauen interniert waren, die meisten von ihnen Jüdinnen aus Lodz. Sulejka Klein ist eine der 35 Ermordeten, deren Namen auf der abgebildeten Liste mit deutscher Gründlichkeit festgehalten wurden. Über ein Stichwort kann man sich eine der „Plattenhaussiedlungen“ ansehen, die die Zwangsarbeiterinnen errichten mußten.
Daß zur Zeit erst 20 Prozent des konventionellen Archivmaterials der Gedenkstätte, allein rund 40.000 Bilder, verfügbar sind, liegt nicht etwa an der Speicherkapazität des Rechners. Der böte heute schon die Möglichkeit, kurze Filmsequenzen, etwa Interviews mit ehemaligen Häftlingen, zu zeigen. „Was fehlt, sind die Leute“, beklagt Detlef Garbe, der Leiter der Gedenkstätte, die fehlende man-power. „Das Internet ist eine völlig neue Basis, um an Jugendliche heranzukommen“, dachte der Leiter des Museums für Hamburgische Geschichte Prof. Jörgen Bracker laut über die Zukunft des wachsenden Multimedia-Systems von Neuengamme nach, „wir müssen diese Technik nutzen, bevor es politische Scharlatane tun“. Rainer Glitz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen