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„Kalte Schauer“

■ Tödliches Ehedrama macht Frauen in Walle Angst

Die Meldung im Radio war kurz aber deutlich: Ein Ehemann erschießt am Dienstag abend seine 39jährige Frau und dann sich selbst. Als die Polizei kommt, sind beide schon tot. Nur Sohn und Tochter können sich vorher ins Freie retten. Dieses Ehedrama jagt den Frauen im Stadtteil jetzt „einen kalten Schauer über den Rücken“, berichtet Elke Baumann. Sie leitet im Bremer Westen einen Modellversuch gegen prügelnde Männer, der vor einem halben Jahr in Ko-operation mit der Polizei startete. „Den Frauen, die wir hier betreuen, wird natürlich jetzt schockartig bewußt: So etwas könnte auch mich jederzeit treffen“, so die Projektleiterin.

Von den tödlichen Schüssen in der Alten Waller Straße hat sie auch erst aus den Medien erfahren. Denn das Paar war weder bei der Polizei noch beim Interventionsprojekt bekannt. Der 15jährige Sohn hatte die Polizei über Notruf alarmiert, weil sein Vater auf die Mutter eingeschlagen hatte – und weil der Junge wußte, daß sein Vater eine Pistole hatte. Nur fünf Minuten nach dem Anruf war die Polizei vor Ort, bestätigt Polizeisprecher Ronald Walter. Aber da war es bereits zu spät. „Was hätten wir da also noch tun können?, fragt ein hilfloser Waller Polizist. Und da ist auch die Projektleiterin ratlos.

Denn seit das Modellprojekt läuft, „fährt die Polizei ganz oft bei bereits bekannten Paaren vorbei“, erzählt Baumann, „da drängen wir auch drauf, weil gerade hier die Wahrscheinlichkeit einer Gewalttat besonders hoch ist.“Die Polizei wird dort im Schnitt 15 Mal im Monat zu Streitigkeiten gerufen. Polizisten sprechen außerdem die Betroffenen an – und leiten sie an die ProjektmitarbeiterInnen weiter. In den letzten sechs Monaten konnte Baumann bereits zu 13 Frauen Kontakt finden. Bald soll für sie eine Gesprächsgruppe starten.

Für die Männer hält das Projekt ein besonderes Angebot bereit: Einen sozialen Trainingskurs, um sich in 32 Sitzungen das Prügeln abzugewöhnen. Für Teilnehmer setzt die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Körperverletzung bis zu neun Monaten aus. Sechs Männer haben bereits zugesagt. „Das hört sich nicht viel an – aber für dieses schwierige Klientel ist das schon erstaunlich“, sagt die Projektleiterin.

Die Zusammenarbeit mit der Polizei laufe jedenfalls vielversprechend an. Schönreden wolle sie nichts – natürlich gebe es bei der Polizei auch kritische Stimmen. „Wir bemühen uns ja redlich“, sagt zum Beispiel ein Polizist aus Walle. „Wir reden mit den Betroffenen. Wir fahren da mehrmals hin. Und nehmen den Mann mit zur Ausnüchterung“, klagt er, „aber dann fängt alles wieder von vorne an. Reden können Sie mit diesem Klientel immer wieder. Aber der Betroffene muß selbst da rauswollen.“Ob das Projekt hilft? „Naja. Es ist gut, daß wir gemeinsam an einem Strang ziehen“, ist sein Fazit.

Kritische Stimmen werden jetzt aber bei den Bremer Grünen wach. Sie wollen sich künftig für eine „Kampagne gegen Männergewalt“mit Plakaten und Aktionen stark machen – und veranstalteten dazu in dieser Woche eine Tagung. „Das Modellprojekt ist okay und ein erster Schritt“, meint die grüne Frauenpolitikerin Maria Spieker. „Aber die können das Problem da nicht isoliert anpacken“, meint sie. Sie fordert Runde Tische wie in Berlin. Dort kommen vor Ort Polizei, Justiz, Frauenhäuser sowie Innen- und Sozialbehörden regelmäßig in den Regionen zusammen – und sprechen über besonders schwierige Fälle.

Außerdem sollten die Bremer KripobeamtInnen verpflichtet werden, regelmäßig an Fortbildungen zum Thema „Männliche Beziehungsgewalt“teilzunehmen – wie es in Nordrhein-Westfalen seit zehn Jahren praktiziert wird. Und: „Wir brauchen einen Erlaß der Innenbehörde an alle Polizisten, daß sie auf jeden Fall eine Strafanzeige stellen“, so Spieker – weil die Frauen sich von selber nicht trauen.

Das mit den Fortbildungen sei in der Tat „eine gute Sache“, meint dazu die Projektfrau aus dem Bremer Westen. Doch ähnlich wie bei den geforderten Runden Tischen stehe man im Westen bereits in engem Kontakt. Außerdem solle das Projekt ja auch auf ganz Bremen ausgeweitet werden. Auch die Aufforderung zur Strafanzeige sei bereits im Westen in einer Dienstanweisung an die PolizistInnen gegangen. „Die zeigen jetzt in der Tat erstaunlich viel an“, sagt Baumann. Die Staatsanwaltschaft stelle das Verfahren dann aber meist wieder ein. „Weil die Frauen nicht aussagen wollen“, weiß sie. Auch das hatte die grüne Frauenpolitikerin angemahnt: „Das Sonderdezernat Gewalt gegen Frauen schlägt das oft nieder.“Dabei ist laut Projektleiterin Baumann klar: „Oft wollen die Frauen gar nicht, daß es zur Anklage kommt – aus Angst.“ kat

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