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Arbeitsamt im Kreuzfeuer

■ Ausländische StudentInnen beklagen Diskriminierung bei Jobvermittlung/ Ein Vorwurf mit jahrelanger Tradition

Viele ausländische StudentInnen fühlen sich seit langem bei der Jobvergabe der Studentenvermittlung des Arbeitsamtes diskriminiert. Zusammen mit dem AStA wollen sie die Benachteiligung nicht länger hinnehmen: Ein Student stellte bereits Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Vermittler des „Studenten-Service“, Udo-Bernd Drechsel. Außerdem soll eine „JobberInnen–Initiative“ gegründet werden und vor dem Gebäude in der Grindelallee ist Mitte des Monats eine Kundgebung geplant. „Die Praxis der Jobber-Höhle, Jobs nach eigenem Gutdünken zu vergeben, hat rassistischen und sexistischen Charakter“, kommentiert Matthias Kolbeck vom AStA die Vorwürfe.

Jüngster Fall: Der Vermittler Drechsel soll dem türkischen Studenten Tevfik Karaali Jobs verweigert haben mit dem Hinweis, er solle „froh“ sein, „überhaupt eine Arbeitserlaubnis erhalten zu haben“, berichtet der türkische Student. „Und das obwohl ich berechtigt war, diese Jobs anzunehmen“, protestiert Tevfik Karaali.

Der Abteilungsleiter der Arbeitsvermittlung des Arbeitsamts, Karl-Heinz Klemann, verteidigt seinen Mitarbeiter: Angesichts von 70.000 Arbeitslosen in Hamburg sei sie inhaltlich richtig, wenn auch vage formuliert und mißverständlich. „Durch die Routine können viele Vermittler nicht mehr differenziert genug argumentieren“, bedauert Klemann.

Den Job, so der Abteilungsleiter, hätte der türkische Informatik-Student aber deshalb nicht bekommen, weil dem Arbeitgeber vor ihm schon vier andere Studenten vorgeschlagen worden seien. Das bezweifelt Tevfik Karaali: „Wenn der Job schon vergeben gewesen wäre, hätte er nicht mehr ausgehangen.“

Über die Beschwerde wird in den nächsten vier Wochen entschieden. Einzige Konsequenz bisher: „Die Studentenvermittlung wird sich in nächster Zeit unserer besonderen Aufmerksamkeit erfreuen“, verspricht Klemann.

Der Fall des türkischen Studenten ist jedoch nur einer von vielen. Studenten berichten, es sei die Regel, daß aufmüpfigen KommilitonInnen mit Hausverbot gedroht würde. Karl-Heinz Klemann setzt dagegen: Hausverbote würden nicht bei Meinungsverschiedenheiten, sondern nur bei Handgreiflichkeiten erteilt.

Ein weiterer Vorwurf der StudentInnen: Viele Firmen verlangen für ihre Jobs „akzentfreies Deutsch“, um ausländische Jobber zu vermeiden – auch bei offensichtlich nicht sprachrelevanten Packarbeiten. Das Arbeitsamt sei eigentlich verpflichtet, derart ausgrenzende Stellengesuche nicht zu bearbeiten, aber biete sie trotzdem an.

Der Leiter der Arbeitsvermittlung, Klemann, sieht das Arbeitsamt zu Unrecht im Kreuzfeuer der Kritik: „Wenn es um so sensible Vorgänge geht, sind wir unerbittlich“, verweist Klemann auf eine fristlose Kündigung, die einem Mitarbeiter wegen diskriminierenden Verhaltens ausgesprochen wurde. Ihren Mangel an Sensibilität sollen die Vermittler auf Dienstbesprechungen und im September auch auf einem Lehrgang zurückgewinnen. Ob die Behörde diesem komplexen Problem damit gerecht wird, bleibt abzuwarten.

Timo Hoffmann

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