: Offene Ladentür bis in die Nacht
Dussmanns „Kulturkaufhaus“ öffnet mit einem Verwaltungstrick bis 22 Uhr. Einzelhändler und Interessenverbände warten auf einheitliche Ladenschluß-Regelung ■ Von Christian Domnitz
„Wir hatten unerwarteten Erfolg.“ Thomas Greiner, Pressesprecher der Dussmann-Gruppe, freut sich. „An einem guten Tag haben wir zehntausend Kunden.“ Und noch mehr Kundschaft sollen die längeren Öffnungszeiten bringen, denn ab heute ist das Kulturkaufhaus bis 22 Uhr geöffnet.
Ein Trick ermöglicht der Dussmann-Direktion, die durch das Ladenschlußgesetz auf 20 Uhr festgelegte Schließzeit zu umgehen. 26 Verkaufskräfte, die in den späten Abendstunden nicht eingesetzt werden dürften, werden zu leitenden Angestellten befördert. Außerdem erklärte der Senat das Areal um die Friedrichstraße zum „touristischen Gebiet“ und das Dussmann-Sortiment zu „touristischem Bedarf“.
Heute wird Peter Dussmann die Ausnahmeregelung zwischen der Senatsverwaltung für Soziales und dem Kulturkaufhaus der Öffentlichkeit vorstellen. Sozialsenatorin Beate Hübner(CDU), Wirtschaftssenator Pieroth (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Rexrodt (FDP) feiern mit. Sie alle befürworten längere Öffnungszeiten.
„Wir gehen davon aus, daß es sich für uns rechnet“, sagt Greiner. Die Beförderten erhalten von der Firma eine fünfprozentige Umsatzbeteiligung. „In der Dienstleistungsbranche sind andere Strukturen üblich,“ so Greiner, „auch unser Betriebsrat ist von der Mentalität der Dienstleister geprägt.“
Andere Einzelhändler der Friedrichstraße beobachten die Attacke Dussmanns wohlwollend, aber abwartend. „Wir müssen am Samstag um vier die Kunden hinauswerfen, das ist nicht schön“, sagt Joseph Stoffer, Geschäftsführer bei Lafayette. Konkrete Vorstellungen über längere Öffnungszeiten gebe es aber noch nicht.
Auch für die zukünftige Hugendubel-Filiale in der Friedrichstraße würden die Öffnungszeiten nicht mit einer Einzelaktion verlängert, bekräftigt Sebastian Blenninger, Filialleiter am Tauentzien. „Es wird sicher noch ein paar Jahre dauern, bis die Kunden längere Öffnungszeiten gewöhnt sind.“
Dorothee Stöbe, Geschäftsführerin der „Interessengemeinschaft Gewerbetreibende an der Friedrichstraße“, gibt sich entschlossen: „Unser Ziel ist es, daß man organisatorische Umwege wie bei Dussmann nicht mehr braucht.“ Kritisch wirkt Nils Busch-Petersen vom Einzelhandelsverband am Kurfürstendamm: „Wir wollen einen einheitlichen Markt, der so liberal wie möglich ist.“ Dussmanns Initiative sei nur eine „gut aufgezogene PR-Geschichte".
Die kleineren Nachbarn des Kaufhausgiganten sind besorgt. „So etwas können wir nicht machen. Ich müßte zwölf Stunden allein im Laden stehen“, beteuert Thomas Raschke vom „Musikmarkt unter den Gleisen“. „Der Mann da drüben spielt ganz einfach in einer anderen Liga.“ Auch Peter Engelmann, Leiter vom „Foto-Porst“ nebenan, kann nicht länger öffnen. „Dazu kommen zuwenig Kunden. Wer will denn hier spät arbeiten?“
Nicole Krause, Verkäuferin bei Benetton, möchte das nicht. „Da sieht man doch nichts vom Tag. Ich lebe doch nicht nur für die Arbeit." Anneliese Räbiger, Verkäuferin bei Kiepert: „Nach zehn Uhr komme ich nicht mehr richtig nach Hause. Aber vielleicht gibt es Leute, die das wollen – bei der Arbeitslosigkeit. Die bringen dann ihr Kind ins Bett und arbeiten noch vier Stunden.“
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