High-Tech-Paläste in der grünen Lunge

Serie: Die neuen Bezirke (Folge 2): Wenn Treptow und Köpenick zusammengelegt werden, entsteht ein reicher Großbezirk. Vom Dienstleistungsjob im Forschungslabor ist es nur ein kurzer Weg zur noblen Yacht am Müggelsee  ■ Von Hannes Koch

Treptow und Köpenick, die beiden Bezirke im Südosten der Stadt, passen gut zusammen. „Sie ergänzen sich geradezu optimal“, meint Ariane Bähr von der Wista-Öffentlichkeitsarbeit – der Firma, die die Wissenschafts- und Gewerbeflächen in Adlershof entwickelt. Der gemeinsame Bezirk wird sich langfristig zu einer für Wohn- und Gewerbezwecke bevorzugten Gegend mausern – und möglicherweise mit reichen West-Vierteln wie Zehlendorf oder Wilmersdorf gleichziehen können.

Treptow und Köpenick beherbergten bis 1989 an beiden Ufern der Spree das größte Industriegebiet Ost-Berlins. Von den Arbeitsplätzen der riesigen Kombinate sind heute nur wenige übriggeblieben, doch vor allem auf Treptower Seite wächst Ersatz.

Wo früher an der Elsenbrücke das Elektro-Apparate-Werk EAW stand, werden Versicherungsangestellte in der Europazentrale der Allianz bald die ersten Policen ausstellen. Im neuen Komplex gegenüber rechnet die Hauptverwaltung des Energieversorgers Bewag bereits den Stromverbrauch ihrer KundInnen ab.

Und im Süden, im Stadtteil Adlershof, baut die Wista Berlins größtes Areal für Hochtechnologie: Tausende ForscherInnen sollen Laser entwickeln, gentechnologische Verfahren erproben und Umwelttechnik auf den Markt bringen. Bald wird die Humboldt- Universität ihre naturwissenschaftlichen Fachbereiche dorthin verlegen.

Treptow könnte langfristig einige Gebiete aufweisen, die der Stadtsoziologe Hartmut Häußermann als „Zitadellen“ bezeichnet: Extrem moderne Produktionsstrukturen und hochqualifizierte Beschäftigte erwirtschaften eine hohe Wertschöpfung, die weit aus der Berliner Depression herausragt.

Köpenick bietet das Gegenstück zu den Glaspalästen und Labors am anderen Spreeufer. Rund zwei Drittel der Bezirksfläche nehmen Wald und Wasser ein. An den Ufern des Müggelsees, der Spree und Dahme finden sich Hunderte Jahrhundertwende-Villen, die Konzernmanager, UnternehmensberaterInnen oder LaserforscherInnen für ein paar Millionen zu Privatidyllen inmitten eines riesigen Erholungsgebietes ausbauen können. Auch Grünau, Schmöckwitz oder Karolinenhof auf Treptower Seite stehen dem kaum nach.

Köpenicks SPD-Bürgermeister Klaus Ulbricht sieht einen entscheidenden Vorteil des neuen Großbezirks denn auch darin, daß die Vorteile werbemäßig gemeinsam präsentiert werden könnten. Firmen fänden Flächen und Infrastruktur, die Beschäftigten nebenan Erholung – mit Argumenten wie diesem sollte es seiner Meinung nach gelingen, den ein oder anderen Steuerzahler anzulocken. Wista-Mitarbeiterin Bähr bleibt allerdings skeptisch ob des erhofften Synergieeffekts: Bäume am See und Wildschweine im Garten spielten als Ansiedlungsargumente für Unternehmensvorstände nur eine untergeordnete Rolle.

Dennoch steht Joachim Stahr, Treptows CDU-Stadtrat (unter anderem für Familie und Kultur), nicht alleine da, wenn er prognostiziert: „Gemeinsam sind wir auf dem aufsteigenden Ast.“ Der Optimismus fußt darauf, daß die Südost-Ecke im stadtweiten Vergleich schon heute im guten Mittelfeld rangiert.

Die Anzahl der SozialhilfeempfängerInnen erreicht nur 2,7 Prozent der Bevölkerung – dieselbe Größenordnung wie in Zehlendorf. Im Durchschnitt verfügen die Privathaushalte über 2.800 Mark Nettoeinkommen pro Monat (Platz 12 und 13 der Rangliste). Das sind 550 Mark mehr als in Kreuzberg und Friedrichshain.

Die Bevölkerung konnte den Zusammenbruch der Industrie in Nieder- und Oberschöneweide offensichtlich teilweise durch neue Verdienstmöglichkeiten ausgleichen. Die Arbeitslosigkeit liegt zwar mit 17,4 Prozent (Treptow) und 17,5 Prozent (Köpenick) im Berliner Durchschnitt, doch wesentlich unter der Rate von Armenhäusern wie Kreuzberg (27 Prozent).

Gleichzeitig blieben die Sozialstruktur beider Bezirke bis heute halbwegs stabil und die Armut eingegrenzt, weil wohlhabende Familien traditionell in die grünen Zonen des Südens ziehen, die schon der DDR-Schickeria gut gefielen. Stadtrat Stahr schätzt deshalb, daß die „ähnliche soziale Struktur“ von Treptow und Köpenick keinen Anlaß für Neid und Verteilungskämpfe gibt, wie sie mittlerweile zwischen armen und reichen Bezirken üblich sind.

Trotzdem muß sich die gemeinsame Bezirksverwaltung auch in Zukunft mit der Polarisierung zwischen Arm und Reich auseinandersetzen. Das auf Köpenicker Seite gelegene alte Industriegebiet von Oberschöneweide liegt darnieder, obwohl die Landesentwicklungsgesellschaft BLEG versucht, modernes Gewerbe anzusiedeln, und der koreanische Samsung-Konzern im DDR-Werk für Fernsehelektronik noch heute TV- Teile herstellt.

Unweit der neuen „Zitadellen“ könnte hier eine Armutsgegend entstehen – ebenso wie in den Altbauvierteln Treptows.