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„Nicht aus Angst zurückweichen“

■ Der CDU-Politiker Michel Friedman hat die Antifa-Demo in Saalfeld unterstützt: „Rassismus ist eine gesamtpolitische Herausforderung“

taz: Die Demonstration in Saalfeld war von einem sehr breiten Bündnis getragen – vom Pfarrer über die Gewerkschaft bis hin zu antifaschistischen Gruppen. Wie kommt es, daß Sie als Christdemokrat die Demonstration unterstützt haben?

Michel Friedmann: Ich halte dies nicht für eine parteipolitische Frage, sondern für eine gesellschaftspolitische Frage. Ich bin in dieser Angelegenheit angesprochen, sensibilisiert und motiviert worden vom DGB. Für mich ist der DGB eine wichtige demokratische Institution in unserem Land. Es geht um die Kernfrage: daß Menschen in unserer Gesellschaft ihr Gesicht zeigen für Respekt für Minderheiten, für Demokratie, für Menschenrecht und Menschenwürde. Es geht darum, deutlich zu machen: Es kann keine Toleranz gegenüber Intoleranz geben. Darüber sind wir uns einig.

Der Generalstaatsanwalt von Brandenburg, Eduardo Rautenberg, hat jüngst die Zusammenarbeit von bürgerlichen Kräften und antifaschistischen Gruppen bis hin zu den Autonomen gegen den Rechtsradikalismus gefordert. Ist ein solches Bündnis notwendig?

Ein Teil der Jugendgewalt in Deutschland umhüllt sich mit dem braunen Mantel, ein Teil wird vom braunen Mantel umhüllt. Wir müssen das ernst nehmen. Kinder werden nicht als Rassisten geboren, Kinder werden nicht als Antisemiten geboren, sondern die Erwachsenenwelt trägt in die nächste Generation rassistische Gewalt weiter. Da sind alle demokratischen Kräfte aufgerufen, die Stabilisierung der Werte hinter denen sich der Begriff Demokratie definiert, zu stärken.

Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Versuche der Stadt Saalfeld, bis zuletzt die Demonstration abzuwenden?

Grundsätzlich habe ich Verstädnis dafür, daß demokratische Demonstrationen friedlich ablaufen sollen. Dort wo die Einschätzung der Sicherheitslage dies nicht gewährleistet, muß man darüber intensiv nachdenken. Aber es kann und darf kein Zurückweichen von Demokraten in ihren Meinungsäußerungen geben – und dazu gehört eine Demonstration – weil man Angst hat vor Rechten.

Gerade in den letzten Monaten haben sich gewalttätige Übergriffe und sogar Ansätze von terroristischer Struktur in Ostdeutschland gehäuft. War die Demonstration damit eine Demonstration gegen den Osten? Oder könnte so empfunden werden?

Nein. Auf keinen Fall darf dies so empfunden werden. Es war ja eine Demonstration von Menschen aus dem Osten. Wir müssen in diesen Fragen wahrhaftig miteinander umgehen. Es gab einen Rassismus und einen Antisemitismus in der ehemaligen DDR – und es gab und gibt einen Rassismus und Antisemitismus in den Ländern der Bundesrepublik vor der Vereinigung. Und es gibt einen gesamtdeutschen Rassismus und Antisemitismus, den man nicht unterschätzen darf, er stellt eine gesamtpolitische Herausforderung dar. Interview: Barbara Junge

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