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Dame, Diva und Domina

■ Das Museum Weserburg zeigt einen Teil der Fotoarbeiten aus der Katharina Sieverding-Sammlung, die der deutschen Bank gehört

Vielleicht ist sie einfach nur selbstverliebt. Zu verstehen wäre es ja – bei diesem Gesicht. Denn es ist sehr wandlungsfähig. Es ist sogar überaus wandlungsfähig. Vom Monroe-Double zur Diva, zur Dame, zur Domina. verbirgt sich alles in diesem Gesicht.

Es ist „das“Gesicht von Katharina Sieverding. Und wenn die Trägerin dieser vielen Gesichter doch nicht selbstverliebt sein sollte, dann wenigstens mögen die KunstsammlerInnen der Deutschen Bank sie. Nach Rosemarie Trockel, Sigmar Polke oder Imi Knoebel haben sie die Fotokünstlerin zur „Künstlerin des Geschäftsjahres“gekürt und eine Auswahl aus ihrer Sieverding-Sammlung auf die Reise durch die Republik geschickt. Seit der Eröffnung gestern abend, zu der sich sage und schreibe 700 Menschen angemeldet haben, macht die sonst im 17. Stockwerk des Frankfurter Bankenturms hängende Sammlung im Neuen Museum Weserburg in Bremen Station.

Sind so große Augen. Und ein großer Schmollmund. Und so große Locken. „Maton“heißt diese Selbstinszenierung. Den schwarz umschminkten Blick über das Objektiv gerichtet, hat sich Katharina Sieverding 1969 in einer Fotokabine ablichten lassen.

Erst vor einem Jahr hat sie diese Selbstportraits zu großformatigen Silber-Siebdrucken weiterverarbeitet. Jetzt hängen diese drei Bilder im Vortrags- und Sonderausstellungsraum der Weserburg und sind buchstäblich nicht weit von Andy Warhol entfernt, dessen Arbeiten nur eine Etage darüber hängen. So wie die Pop-Art-Ikone das Gesicht der Monroe multiplizierte, verdreifacht sich die Sieverding in der Maske eines Schönheitsideals. Dessen Zeichen sind grell. Trotzdem schimmern der ins Leere gehende Blick und ein unbestimmbares Wesen deutlich wie rätselhaft darunter hervor.

In diesen Widersprüchen sind die Arbeiten der 1944 in Prag geborenen Bühnenbildnerin und Absolventin der Düsseldorfer Kunstakademie am stärksten. Als einzige Künstlerin aus dem Kreis der SchülerInnen von Joseph Beuys setzte sie ihren Schwerpunkt auf die Fotografie und dabei auf das Selbstportrait. In den Gegensätzen von öffentlicher und privater Identität, von Innen- und Außenwelt fand sie ihr Schwerpunktthema.

In der Serie „Nachtmensch“von 1982 spielt sie so viele Rollen, daß man fragen will, wer ihr Modell gestanden hat. Mal in rotes oder violettes Licht getaucht, mal gleißend von der Seite angestrahlt, trägt sie das Haar hier streng zurückgekämmt, da unter einer Kappe verborgen und dort offen fallend. Es sind scheinbare Schnappschüsse. Weil sie aus nächster Nähe aufgenommen sind, wirkt aus diesen Bildern Aggressivität.

Weil sie quasi filmisch jeweils gedoppelt sind, gibt es für den Menschen hinter den Rollenmasken kaum ein Entrinnen. Im selben (Kunst-) Licht hat Ridley Scotts Kameramann Jordan Cronenweth in „Blade Runner“die Androiden aufgenommen. Bei Scott suchten künstliche Menschen nach Erinnerungen und Identität. Bei Sieverding scheint eine Frau aus Fleisch und Blut hinter den Charaktermasken ihr Wesen zu verteidigen.

Neben diesen beiden zentralen Serien umfaßt die Ausstellung Arbeiten aus den Jahren von 1969 bis 1997. Darunter eine Dokumentation ihrer Plakatserie „Deutschland wird deutscher“, mit der sie vor einem Jahrfünft den erstarkenden Nationalismus hierzulande kommentierte. Außerdem zu sehen sind Kristallisationsbilder, in denen sie mikroskopische Aufnahmen von Blut und anderen organischen Materialien zur Grundlage nimmt. Zum Teil in Portraits und Portraitausschnitte geschachtelt, ist auch hier der Widerspruch von Innerem und Äußerem, von verstehbarer und rätselhafter Welt Thema.

Doch viele dieser Arbeiten sind erheblich durchschaubarer als die Serien „Maton“oder „Nachtmensch“. ck

Katharina Sieverding, Fotoarbeiten aus der Sammlung der Deutschen Bank, bis zum 16. April im Neuen Museum Weserburg

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