Analyse
: Ungebetener Gast

■ Der britische Außenminister will in Israel die Siedlung Har Homa besuchen

„Cook ist ein Antisemit“ und „Cook go home“ lauteten die Parolen, die gestern an der Mauer des britischen Kulturinstituts in Jerusalem prangten. Keine Frage, der britische Außenminister ist bei seinem heutigen Besuch in Israel nicht willkommen. Selbst David Bar-Ilan, der Medienberater von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, nahm kein Blatt vor den Mund. Cook sei propalästinensisch und damit für eine Vermittlungsmission im stagnierenden israelisch-palästinensischen Friedensprozeß ungeeignet, erklärte er gestern. Die Schüsse, die schon vorab vor Cooks Bug gefeuert wurden, haben einen Anlaß. Cook will die geplante israelische Siedlung Har Homa auf dem Dschabal Abu Ghneim in Ost- Jerusalem besuchen, allerdings nicht mehr gemeinsam mit dem palästinensischen Repräsentanten der Autonomiebehörde, Faisal Husseini, sondern allein. Diese demonstrative Geste hat die israelische Regierung mächtig verärgert. Netanjahu fürchtet jeden Fortschritt im Friedensprozeß wie der Teufel das Weihwasser. Und er hat durchaus Grund dazu. Denn die Groß-Israel-Protagonisten in der Knesset haben gedroht, seine Regierung zu Fall zu bringen, wenn er einen nennenswerten Teilrückzug aus den besetzten Gebieten anbietet. Genau dies aber fordert die Europäische Union unter der gegenwärtigen britischen Präsidentschaft in einem Vermittlungsvorschlag. Mehr noch: Jede weitere Siedlungstätigkeit soll sofort eingestellt, die Verhandlungen über den Flughafen in Gaza und die Verbindungsstraße ins Westjordanland sollen zügig zu Ende gebracht werden. Die Palästinenser müssen im Gegenzug kontrollierbare Maßnahmen ergreifen, um Israel Sicherheit vor Anschlägen zu geben.

Auch die US-Regierung weiß, daß dieser Vorschlag mit den Oslo-Vereinbarungen nach Geist und Buchstaben übereinstimmt. Sie selbst jedoch fürchtet die proisraelische Opposition im Kongreß und hält deshalb seit Wochen ihren eigenen Vermittlungsvorschlag zurück. Frühestens Ende des nächsten Monats, so das jüngste Gerücht, soll er vorgelegt werden. Die Palästinenser bezichtigen die US-Regierung deshalb einer proisraelischen Haltung. Mit ihrer Hinhaltetaktik wollten die USA Änderungen im Friedensvertrag erzwingen, die den israelischen Vorstellungen entsprechen, vermuten Palästinenser. Vor allem einen Teilrückzug in höchstens einstelliger Prozentzahl und keinen Stopp im Siedlungsbau.

Es ist indes wahrscheinlich, daß die USA der EU grünes Licht für ihren Vermittlungsversuch gegeben haben. Nicht zuletzt aus der sicheren Überzeugung heraus, daß er an Netanjahus Ablehnung scheitern wird. Dann nämlich wäre wiederum der US-Vorschlag die „letzte Chance“, um den Friedensprozeß zu retten. Und für die Palästinenser hieße es dann: „Friß, Vogel, oder stirb“. Georg Baltissen