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Grüne streiten um Symbol für die Jugend

■ Landesvorstand gegen Fraktionspromis: Ein 18jähriger kandidiert für die Bundestags-Liste gegen den Alt-68er Klaus Möhle / „Ernst machen mit Verjüngung der Partei“

Im Prinzip sind sich alle Bündnisgrünen einig. Ihre Partei darf kein „Ein-Generationen-Projekt“der Alt-68 sein. Wie jedoch in Bremen mehr Jugendliche für grüne Politik zu gewinnen sind, darüber tobt parteiintern ein Richtungsstreit zwischen dem Landesvorstand und der Mehrheit der Bürgerschaftsfraktion. Am Samstag bei der Landesmitgliederversammlung wird der Disput in einer Kampfabstimmung zwischen dem 18jährigen Till Stenzel und dem Bürgerschaftsabgeordneten Klaus Möhle (45) münden.

Es geht um den zweiten Platz auf der Landesliste für die Bundestagswahl hinter der unangefochtenen Nummer eins, Marieluise Beck. „Ich möchte zeigen, daß Jugendliche etwas verändern können“, gibt sich der Abiturient selbstbewußt. Im Bundestag würde sich der Kippenberg-Schüler am liebsten für den Ausbau regenerativer Energiequellen einsetzen.

Als Vertreter der Grünen Jugendinitiative (GJI) sitzt Stenzel seit einem Jahr im grünen Landesvorstand. Dort hat er mit seiner ruhigen, sachlichen Art die Altvorderen um das Sprecherduo „Hucky“Heck und Katrin Kummerow überzeugt, so daß die Parteiführung seine Kandidatur unterstützt. „Es hätte Symbol- und Signalcharakter, wenn ein Jugendlicher bei den Grünen auf Platz zwei sitzt“, kennt Stenzel die Beweggründe. Realistische Chancen auf einen zweiten Platz im Bundestag haben die Bremer Grünen aber nicht.

„Wir haben mit unserer Entscheidung viel Kopfschütteln ausgelöst“, räumt Heck ein, „aber wir müssen mal ernst machen mit der Verjüngung der Partei. Und Jugendlichen, die die Welt verändern wollten, könne man nicht sagen ,geh doch zuerst mal in den Ortsbeirat'“. Katrin Kummerow versichert, das Votum des Landesvorstandes sei keine „jugendpolitische Ersatzmaßnahme“, wie die Kritiker vermuten. Es gehe um die Persönlichkeit Till Stenzels: „Wir kennen keinen anderen Jugendlichen, für den wir uns entschieden hätten“.

Trotz der Kritik aus der Fraktion, ob denn ein Newcomer sich gleich für den Bundestag bewerben müsse und der besorgten Frage, ob hier nicht ein Jugendlicher im Wahlkampf verheizt werde, sah es lange so aus, als sei die Kandidatur des Jung-Politikers unangefochten. Keiner der Prominenten Interessenten auf den zweiten Listenplatz – genannt wird Fraktionssprecher Dieter Mützelburg – wollte seine Position in einer Kampfabstimmung beschädigen lassen.

Erst nach dem Magdeburger Bundesparteitag trat mit Klaus Möhle ein Mann aus der zweiten Reihe aus der Deckung, der 1996 für Ex-Umweltsenator Ralf Fücks in die Bürgerschaft nachgerückt war. „Ich bin der bessere Kandidat“, sagt der langjährige Weidedamm-Aktivist, der dem Vernehmen nach von einer Gruppe um Mützelburg unterstützt wird. Ein 18jähriger könne seine Rolle im Wahlkampf nicht ausfüllen, sagt Möhle. Seine Kandidatur richte sich nicht gegen Stenzel persönlich. Aber die Jugend-Promotions-Politik des Landesvorstandes wolle er nicht ohne Diskussion durchgehen lassen. „Das soll kein Selbstgänger sein“, meint auch Ex-Senatorin Helga Trüpel, die für Platz drei auf der Liste kandidiert.

Die Fraktion ist nervös, weil der Landesvorstand die Entscheidung vom Samstag als richtungsweisend für die Bürgerschaftwahl 1999 ansieht. Dann will die Parteiführung eine Liste vorschlagen, bei der jeder dritte Platz mit neuen Gesichtern besetzt ist. Joachim Fahrun

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