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„Demonstrationsrecht ist keine Gnade“

■ Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie sieht die Grundrechte durch die Castor-Transporte eingeschränkt

taz: Gelten Grundrechte und demokratische Prinzipien noch, wenn Castor-Behälter in bundesdeutsche Zwischenlager transportiert werden?

Elke Steven: Von einer Respektierung von Demokratie und den Grundrechten der Bürger kann bei diesen Transporten und den damit verbundenen Polizeieinsätzen keine Rede sein. Im Wendland waren alle drei Transporte mit einem polizeilichen Ausnahmezustand verbunden, mit zahlreichen Übergriffen der Polizei und mit erheblichen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit der Anwohner.

Das bedeutet konkret?

Wer sich friedlich auf die Straße setzte, hatte unter Umständen das Recht auf körperliche Unversehrtheit verspielt. Er mußte nicht nur damit rechnen, weggetragen zu werden, wie es bei einer friedlichen Sitzblockade verhältnismäßig ist, sondern auch mit Faustschlägen ins Gesicht, mit Stiefeltritten oder einem Wasserwerfereinsatz. Bei der großen Sitzblockade etwa, die sich bei dem letzten Castor-Transport gleich hinter dem Bahnhof Dannenberg gebildet hatte, ging die Gewalt eindeutig von der Polizei aus.

Kann nun im rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen ein verhältnismäßigerer Einsatz der Polizei erwartet werden?

Absurderweise sollen die Verletzungen, die die Polizei beim letzten Gorleben-Transport Hunderten von friedlichen Blockierern zugefügt hat, nun als Begründung für das weiträumige Demonstrationsverbot am Zwischenlager Ahaus dienen. Daß diese Verletzungen auf einen völlig unverhältnismäßigen Polizeieinsatz zurückgingen, erwähnt die aktuelle Verfügung nicht. Statt dessen erklärt sie es für notwendig, den Bereich um die Transportstrecke zum Zwischenlager Ahaus freizuhalten von Demonstranten – angeblich zu deren eigenem Schutz vor ähnlichen Verletzungen wie in Gorleben.

Demnach ist der grüne Polizeichef Wimber in Münster auch nicht besser als der niedersächsische Innenminister Gerhard Glogowski?

Auch in den Vorbereitungen auf den Transport nach Ahaus vermag ich kein demokratisches Staatsverständnis zu erkennen, sondern nur ein autoritäres. Die zum demokratischen Protest bereiten Bürger werden vorab pauschal nur als Sicherheitsrisiko gesehen, als Gewalttäter oder zumindest potentielle Gewalttäter. Der Staat sieht sich nur noch dem Interesse der Betreiber des Zwischenlagers verpflichtet und hinter diesen haben die Interessen der Bürger des Wendlandes und jetzt Münsterlandes dann zurückzustehen.

Aber in einiger Entfernung vom Castor-Transport soll doch das Demonstrieren möglich bleiben.

Genau diese Verbannung vom Ort des Geschehens widerspricht den Grundsätzen eines demokratischen Rechtsstaates. In Ahaus soll Protest nur dort erlaubt sein, wo er nicht die öffentliche Aufmerksamkeit finden kann, die für ihn wesentlich ist. In einem demokratischen Staat darf aber das Demonstrationsrecht keine Gnade sein, die mal gewährt wird und ein andermal nicht. Denn es gehört zu den Grundlagen jedes demokratischen Staates, daß die Bürger eben nicht nur bei Wahlen nach ihrer Meinung über Parteien gefragt werden, sondern auch jederzeit durch öffentliche Meinungsäußerungen politisch Einfluß nehmen können. Nicht umsonst hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Brokdorf-Urteil ausdrücklich das Recht der Bürger bestätigt, ihre Meinung am Ort des Geschehens zum Ausdruck zu bringen.

Wenn nun in Ahaus der Protest nur fernab vom Castor-Transport erlaubt sein soll, hat dies viel mit polizeilichem Ausnahmezustand und nur sehr wenig mit Demokratie zu tun. Jürgen Voges

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