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Grüße mit der Pauke

■ „What's wrong with Culture?“: Das Museum Weserburg eröffnet heute abend eine Ausstellung mit Klanginstallationen von Stephan von Huene

tephan von Huene durchleuchtet in seinen Kunstwerken das vom babylonischen Sündenfall kontaminierte Sprachuniversum mit der postmodernen Verve eines existentiell irritierten Menschen, der die Skepsis gegen den Sinngehalt von Sprachspielen und lexikalischen Ordnungen auf eine dramatische, zutiefst irritierende Spitze treibt.

Schriebe der Autor dieser Zeilen im Fortgang dieses Artikels weiter ähnlich gedrechselten Mist, er hätte – unter der Voraussetzung, er würde endlich richtig, aber so richtig berühmt werden – große Chancen, ins Museum zu gelangen. Um dort ein paar in die Fresse gehauen zu bekommen. Quasi von Stephan von Huene himself. So wie es einen jeden ereilt, der die Rampe zu von Huenes Ausstellung „What's wrong with culture?“im Museum Weserburg hinunterschreitet: Justament, wenn das Gesicht des Herannahenden, von einer Kamera auf die Oberfläche einer Trommel projiziert, ihm in voller Größe entgegengrinst, wird per Lichtschranke der Schlegel aktiviert und landet mit lautem Knall mitten auf der Nase des eigenen Konterfeis.

Von Huenes Installation „Greetings“– hahaha – will gleich zu Beginn die notorisch allwissenden MuseumsschlafwandlerInnen wecken, die bereits alles gesehen und verstanden haben, noch ehe sie einen Ausstellungsraum überhaupt betreten. Aber eben auch denen – FeuilletonistInnen und KunstkritikerInnen genannt – die jedes ästhetische Erleben unter Schlagwort- und Satzungetümen klassifizierend begraben, versetzt von Huene den ihn gebührenden Paukenhieb.

In der Arbeit „Blaue Bücher“zitiert eine Stimme aus Bildinterpretationen, die in den 60er Jahren in populären kleinen Kunstführern zu lesen waren. Ein Dia-Apparat wirft die jeweils beschriebenen Werke gleichzeitig auf die Rückseite zweier Trommelmembranen. In regelmäßigen Intervallen schlagen kleine und große Schlegel auf die Trommel, zertrümmern die hohlen inhaltsfreien KritikerInnenphrasen ebenso wie die per Dia vermittelten Kunstwerksurrogate. Aber von Huenes Sicht auf die Gattung derer, die wortgewaltig Worten Gewalt antun, ist nicht frei von Populismus, biedert sich ein wenig an gern kolportierte Klischees an. Denn der Kunsthistoriker Martin Warnke, auf den von Huene sich mit dieser Installation positiv bezieht, ent-blößt in seinem ideologiekritischen Text „Wissenschaft als Knechtungsakt“gerade nicht das Geschwafel seiner Zunft als Ansammlung nichtssagenden Unsinns. Im Gegenteil: Warncke legt vielmehr das enorm Ordnungsfixierte, Autoritäre und Herrschaftsbejahende, das die klassische Ästhetiktheorie wie ein roter Faden durchzieht, offen.

Auch die drei anderen Arbeiten von Huenes in der Weserburg variieren die schon mit „Blaue Bücher“angerissene Thematik. In „What's wrong with Art?“, blubbern aus drei Säulen, die in verschiedenen Räumen stehen, von „Meta-Ebene“bis „Intertextualität“all die bleischweren Jargonbegriffe der Kunstkritik heraus, werden dabei von Orgelpfeifen synchronisiert, bis sie sich auflösen in eine reine Abfolge von Klängen. Und plötzlich gewinnen sie als purer Klang das, was ihnen als leere Worthülse noch abging: Eine eigene Qualität.

Auch mit der Installation „Lexichaos“betätigt sich von Huene als Wortzertrümmerer. Der in drei Sprachen verlesene Bibeltext über den Turmbau zu Babel verwandelt sich erneut in Klang, während Buchstabentafeln an den Wänden daran erinnern, daß jedes Wort nicht mehr ist als eine mehr oder weniger sinnvolle Aneinanderreihung von Konsonanten und Vokalen.

Offenbar traut Stephan von Huene, der noch im vergangenen Jahr Studierende an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe unterrichtete, der Sprache nicht sonderlich. Oder, wie der einstige Jazzpapst Joachim Berendt seit Jahren verkündet: Die Welt ist Klang, und vor allem mit den Ohren ist sie zu verstehen.

Vielleicht stimmt das ja. Ab morgen werden wir unsere Rezensionen also vorsorglich auch auf die Seiten singen. Kling. Klang. Und Klong. zott

Die Ausstellung wird heute um 20 Uhr im Museum Weserburg eröffnet und ist bis zum 17. Mai zu sehen. Und zu hören.

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