: Die Revolution findet zweimal statt
■ Symbolische Umbenennung des Platzes vor dem Brandenburger Tor. Demonstration zum Gedenken der 48er Revolution in der Innenstadt
Gleich zwei Plätze in Berlin sind seit gestern der Erinnerung an die Märzrevolution von 1848 gewidmet: Nach offiziellem Straßenrecht heißt das Gelände vor dem Maxim Gorki Theater in Mitte jetzt „Platz der Märzrevolution“, während die Bezirksbürgermeister von Mitte und Tiergarten, Joachim Zeller (CDU) und Jörn Jensen (Bündnisgrüne), in einem symbolischen Akt den „Platz vor dem Brandenburger Tor“ durch ein Schild in „Platz des 18. März 1848“ umbenannt haben.
Die Zeremonie am Brandenburger Tor bildete die erste Station eines Gedenkzuges vorbei an mehreren Schauplätzen der 1848er Revolution, zu dem die Aktion 18. März aufgerufen hatte. In einem Zug aus mehreren hundert TeilnehmerInnen zogen VertreterInnen aller Parteien, darunter die Bezirksbürgermeister aus Mitte und Tiergarten, von der Straße In den Zelten durch den Bezirk Mitte bis zum Friedhof der Märzgefallenen in Friedrichshain.
Parlamentspräsident Herwig Haase legte dort einen Kranz nieder, nachdem bereits am Morgen VertreterInnen der Bundesländer die Märzgefallenen auf dem Friedhof geehrt hatten.
Die symbolische Straßenumbenennung vor dem Brandenburger Tor spiegelt die Auseinandersetzung zwischen dem Senat und dem Bezirksamt Mitte um die Benennung eines öffentlichen Platzes nach der Märzrevolution wider: Trotz eines im August 1997 gefaßten Beschlusses des Bezirksamts Mitte, den Platz vor dem Brandenburger Tor umzubenennen, hat der Senat sich im Januar 1998 für die gestern durchgeführte Namensgebung hinter der Neuen Wache entschieden. Zahlreiche VertreterInnen aus Politik und Wissenschaft, darunter die ehemalige Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien (CDU) sowie die SchriftstellerInnen Christa Wolf und Günter Grass, haben seitdem die Forderungen der Aktion 18. März unterstützt, an einer Umbenennung des Platzes vor dem Brandenburger Tor festzuhalten.
„Es geht um die Visitenkarte der Nation“, erklärte der Sprecher der Aktion, Volker Schröder, gestern vor dem Brandenburger Tor. Die Polin Dorota Paciavelli, ehemalige Leiterin des Hauses der Kultur Polens, sowie der Ungar György Dalos, Leiter des Hauses der Kultur Ungarns, betonten in Grußworten den „über Deutschland hinausgehenden Charakter der 1848er Revolution“, der durch eine Umbenennung des Platzes vor dem Brandenburger Tor entsprechend gewürdigt werde. In dem Demonstrationszug wurden Fahnen mitgeführt von Polen, Frankreich, Ungarn und Deutschland, Ländern, in denen die Revolutionszeit von 1848 zu Aufständen geführt hatte.
Für Bezirksbürgermeister Zeller ist der symbolische Charakter der Straße des 17. Juni und des Brandenburger Tores von Bedeutung. „Auch hier drücken sich die freiheitlichen und demokratischen Gedanken der 48er Revolutionäre aus“, so Zeller. Er sei überzeugt, an der richtigen Stelle des Ereignisses zu gedenken.
Das Bezirksamt Mitte wird nach Auskunft des Bezirksbürgermeisters am symbolischen Namen des Platzes festhalten. Dagegen betonte die Pressesprecherin der zuständigen Senatsverwaltung für Bauen und Verkehr, Petra Reetz, die Umbenennung sei kein formalrechtlicher Akt: „Für uns hat das neue Straßenschild keine Bedeutung.“ Kerstin Marx
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