: „Ein Rückzug wäre Opportunismus“
■ Der grüne Landespolitiker Fritz Kuhn will an den fünf Mark für den Liter Benzin festhalten
taz: Herr Kuhn, die Grünen in Sachsen-Anhalt pegeln mittlerweile bei 4 Prozent. Ist es nicht an der Zeit, die unpopuläre Forderung nach fünf Mark für den Liter Benzin aufzugeben?
Kuhn: Ich habe die Nennung dieser Zahl schon früher für einen taktischen und strategischen Fehler gehalten. Der politische Gegner bekommt eine einfache Angriffsfläche, die Verteidigung hingegen ist komplex. Der Parteitag hat es jedoch beschlossen. Nun wäre es ein Fehler, diesen Beschluß zu streichen. Die Grünen haben nur die Chance, für das Konzept zu kämpfen, ein Rückzug würde als Opportunismus gedeutet werden.
Der Leiter des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Technologie, Ernst-Ulrich von Weizsäcker, hält das für Harakiri.
Weizsäcker und die SPD sollen doch erst mal sagen, wie ihr Konzept zur Steuerreform aussieht. Nur bei uns meckern, das ist ein bißchen dürftig.
Wir lassen selbstverständlich mit uns über die Größenordung und die Einstiegsszenarien unseres Modells reden. Wahrscheinlich ist eine Benzinpreiserhöhung in 30-Pfennig-Schritten zunächst zu hoch. Das wird als soziale Drohung mißverstanden.
Weizsäcker hält auch den Zeitraum von 10 Jahren für zu kurz bemessen. Denn bis das Drei-Liter Auto auf der Straße ist, vergehen 15 bis 20 Jahre.
Das ist nicht richtig. Wir werden in zehn Jahren zwar nicht die ganze Pkw-Flotte umgestellt haben, aber doch einen großen Teil. Wenn die SPD sagt, wir fordern die fünf Mark erst in fünfzehn Jahren, dann können wir darüber diskutieren. Für mich ist diese Zahl eine Metapher. Ein Rechenmodell und ein Regierungsprogramm sind nun mal zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.
Ihre Wähler erkennen darin nicht nur eine Metapher, sondern bare Münze, die sie zahlen sollen.
Die Grünen sind zu zaghaft bei der Verteidigung des Konzepts. Ob das vier Mark oder fünf Mark sind, ist egal. Wir müssen allerdings auf die Notwendigkeit der ökologischen Steuerreform zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zum Schutz der Umwelt verweisen. 1992 hat die CDU in Baden- Württemberg Wahlkampf mit den fünf Mark für den Liter Benzin gemacht. Wir haben es offensiv aufgegriffen und 12,2 Prozent gewonnen. Eine Partei die kämpft, kann mit diesen programmatischen Ungeschicklichkeiten leben.
Für Sie sind die fünf Mark nur eine Richtgröße, die auch um 50 Prozent nach oben oder unten abweichen kann.
Jeder weiß doch, daß im Koalitionsvertrag etwas anderes stehen wird. Schröder will eine Ökosteuerreform in Bonsai-Format. Die Grünen wollen demgegenüber eine spürbare ökologische Komponente im Steuersystem zwingend festlegen. Dafür sind die fünf Mark eine Größe, die zwar nicht willkürlich festgelegt wurde, aber auch kein Dogma ist.
Das übrige Grünen-Programm spielt kaum noch eine Rolle.
Das ist ein Riesenproblem. Ich bin nicht glücklich über diese Situation. Allerdings sind wir in aller Munde, und das müssen wir nutzen, um unser Anliegen mit einem relativierenden Ansatz deutlich zu machen. Wir müssen klarmachen, daß der Sprit teurer wird, daß die Lohnnebenkosten gesenkt werden und daß ein Energiesparschub in Richtung auf ein Drei-Liter-Auto ausgelöst wird.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Werner Schulz, will die fünf Mark notfalls von einem Sonderparteitag wieder streichen lassen.
Das ist Quatsch. Man erreicht damit nur, daß die fünf Mark in den Köpfen der Bevölkerung bleiben und dreiviertel der Journalisten schreiben, wenn es um die Macht geht, sind die Grünen doch opportunistisch. Interview: Dieter Rulff
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