: Galerie bleibt auf Umzugskisten sitzen
Noch immer ist nicht entschieden, in welches Domizil die Berlinische Galerie künftig ziehen wird. Vieles spricht für die Schultheiss-Brauerei in Kreuzberg, die halb so teuer wäre wie der Ausbau des Postfuhramtes ■ Von Uwe Rada
„Dada lacht über das Ding an sich, und es weint nicht über das Hoppsassa der Wiederkehr alles gleichen. Dada bewegt sich in der Welt!“ Was Raoul Hausmann 1921 schrieb, scheint für die Berlinische Galerie auch heute noch zu gelten. Sie bewegt sich, zwar nicht in der Welt, so doch aber in Berlin. Mit der Ausstellung „Raoul Hausmann und seine Freunde“ als Gastspiel in der Akademie der Künste. Mit einigen Exponaten in den Behala-Räumen am Westhafen. Und mit unzähligen Kisten in den Kellergewölben der Schultheiss- Brauerei in der Kreuzberger Methfesselstraße. Wann aber wird Berlins renommierter Ausstellungsort für moderne Kunst wieder ein Zuhause haben?
Seit dem Ende der Ausstellung „Deutschlandbilder“ und dem Beginn der Umbauarbeiten des Martin-Gropius-Baus für die Nutzung durch den Bund ist die Berlinische Galerie heimatlos. Zwar hat der Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses Kultursenator Peter Radunski (CDU) bereits seit längerem aufgefordert, eine Senatsvorlage für den künftigen Standort der Galerie vorzulegen. Doch in der Kulturverwaltung läßt man sich Zeit. „Nichts Neues“, lautet der Lieblingssatz von Radunskis Sprecher Axel Wallrabenstein. Im Klartext: Noch immer stehen sowohl das ehemalige Postfuhramt in der Oranienburger Straße in Mitte als auch die Kreuzberger Schultheiss-Brauerei zur Debatte. Und unlängst hat gar die Bezirksverordnetenversammlung Prenzlauer Berg den Umzug der Berlinischen Galerie an die Schönhauser Allee als Alternative für den dort geplanten Bau eines Multiplex-Kinos ins Spiel gebracht.
Doch allzu lange kann sich der Kultursenator um eine Entscheidung nicht mehr herummogeln. „Bis zum Sommer würden wir gerne eine Richtungsentscheidung haben“, sagt Willo Göpel, Sprecher der Firma Realprojekt. Als Projektentwickler der Schultheiss- Brauerei in Kreuzberg hat die Realprojekt dem Senat ein ernstzunehmendes Angebot unterbreitet. Mit 11.700 Quadratmetern würden der Berlinischen Galerie in den Kellergewölben der Schultheiss- Brauerei nicht nur das Doppelte an Ausstellungsfläche wie im Gropius-Bau zur Verfügung stehen. „Auch die Räume sind mit einer Höhe von 20 Metern überaus attraktiv“, wirbt Göpel für sein Projekt. Mit dieser Aufassung steht Göpel durchaus nicht alleine da. Neben dem Reierenden Bürgermeister Eberhard Dieogen (CDU) hat sich auch Jörn Merkert, der Leiter der Berlinischen Galerie, bereits für das Areal an der Methfesselstraße stark gemacht. Und für Franz Schulz, den bündnisgrünen Bürgermeister von Kreuzberg, wäre der Umzug der Berlinischen Galerie in seinen Bezirk ein „wichtiges Signal für die Kultur in Kreuzberg“.
Doch nicht nur die attraktiven Gewölbekeller und das Standortsignal Kreuzberg sprechen für die Schultheiss-Brauerei an der Methfesselstraße, sondern auch die Finanzen. 50 Millionen Mark soll der schlüsselfertige Umbau der Gewölbekeller für die Berlinische Galerie kosten. „Damit liegen wir mit 5.000 Mark Baukosten pro Quadratmeter bei weniger als der Hälfte wie beim Umbau des Hamburger Bahnhofs“, weiß Realprojekt-Sprecher Göpel. Doch nicht nur die Baukosten will Göpel als Argument für die Schultheiss- Brauerei verstanden wissen, sondern auch die Finanzierung. Sowohl die Realprojekt als auch die Mitfinanziers Dresdner Bank und Veba haben bereits signalisiert, daß die Umbaukosten vom Senat über einen Grundstückstausch finanziert werden könnten. „Wenn gewünscht, sogar bis zu 100 Prozent“, sagt Göpel.
„Mit dieser Finanzierung“, freut sich Kreuzbergs Bürgermeister Schulz, „ist der Standort Schultheiss-Brauerei deutlich billiger als das Postfuhramt.“ Zwar konnte der Senat bei den bisherigen Verhandlungen mit der Post als der Eigentümerin des von Carl Schwatlo 1881 fertiggestellten Baus den Kaufpreis von 48 Millionen auf 25 Millionen drücken. Doch die Umbaukosten des ehemaligen Verwaltungsgebäudes mit seinen zahllosen, 18 Quadratmeter kleinen Räumen würden weitaus teurer kommen als in Kreuzberg. Inklusive Kaufpreis liegen die Kosten für das Postfuhramt bei etwa 100 Millionen Mark. Daß es trotz dieser erheblichen Unterschiede in der Finanzierung noch zu keiner Senatsentscheidung gekommen ist, liegt an mehreren Gründen. Zum einen an CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, der in Sachen Berlinische Galerie einmal nicht die Auffassung Diepgens teilt, sondern sich vehement für den Standort Oranienburger Straße stark macht. Landowsky, im Hauptberuf Vorstandsmitglied der Berliner Hypothekenbank, so wird hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, sei der mögliche Finanzier beim Umbau des Postfuhramts.
Zum anderen drückt die SPD auf die Bremse. Noch immer nämlich sei über eine Weiternutzung des Gropius-Baus nach dem Ende der Nutzung durch den Bund im Jahre 2001 nicht entschieden.
In der Tat dreht sich in der Berliner Museumslandschaft derzeit einiges im Kreise. Nicht nur der Standort der Berlinischen Galerie ist für die kulturpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Alice Ströver, ungeklärt. Auch die Zukunft des Berlin-Museums sei ungewiß. Für die bisher auf mehrere Standorte verteilte Einrichung der Stiftung wäre der Gropius-Bau eine Alternative, so Ströver. Bevor der Bund nicht über die weitere Zukunft des Gropius-Baus entscheidet, glaubt Ströver, wird auch keine Entscheidung in Sachen Berlinische Galerie fallen.
Doch die Zeit drängt. Der Mietvertrag für die Kellergewölbe der Schultheiss-Brauerei in Kreuzberg, in denen die Umzugskisten der Berlinischen Galerie lagern, läuft nur noch bis März kommenden Jahres. Bereits im Herbst soll dagegen schon mit dem Umbau der Brauerei, unter anderem für schicke Luxuslofts, begonnen werden.
Bis dahin brauchen wir eine Entscheidung, sagt Realprojekt- Sprecher Göpel, der für den Umzug der Berlinischen Galerie noch ein weiteres Schnäppchen bereithält: „Wenn sich der Senat für die Schultheiss-Brauerei entscheidet“, so Göpel, „wird der Mietpreis auf die Finanzierung angerechnet.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen