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Die Mannschaft ist in bester Form, es merkt nur keiner

■ Nach dem 3:0 gegen Leverkusen und dem Erreichen des Halbfinales der Champions League glaubt bei Real Madrid allein der teutonische Fußballehrer Jupp Heynkes an ein Ende der Krise

Madrid (taz) – Jupp Heynckes wirkte gelöst. Seinem ewig starren Gesicht entwich sogar hin und wieder ein Lächeln. „Eine magische Nacht, wie in den großen Zeiten des Clubs“, hätte man gerade erlebt, „Delikatessenfußball“ gar. Der Trainer von Real Madrid schwärmte von der Leistung seiner Elf beim 3:0-Sieg über Bayer Leverkusen. Und auch von den Zuschauerrängen herab war die Mannschaft gefeiert worden, wie schon lange nicht mehr. Wie weggeblasen war auf einmal der ganze Frust über die Liga, wo der FC Barcelona unerreichbar davongezogen scheint. Der Einzug ins Halbfinale der Champions League gibt den Real-Fans die Hoffnung in ihren Club zurück, und Heynckes rettete er erst einmal den Trainerjob.

„Glückwunsch an einen technisch weit überlegenen Real Madrid und speziell an Trainer Jupp Heynckes, der nach dem Sieg jetzt hoffentlich ruhiger hier arbeiten kann“, gratulierte Kollege Christoph Daum. Der hatte das Fiasko wohl schon vorausgesehen, als er vom Spiel „eines Ferrari gegen einen Fiat Uno“ sprach. Doch was Daum dann auf den Platz schickte, glich eher einem Trabant. Von Anfang an verzichtete Leverkusen auf Offensive. Ein einziges Mal schossen sie aufs Tor von Real.

Madrid hingegen – so zählte Trainer Jupp Heynckes stolz mit – holte 15 Torchancen heraus. Der schnelle, schön anzusehende Fußball hat jedoch einen Defekt: Die meisten Möglichkeiten wurden kläglich vergeben. Raul, Karembeu und selbst Mijatovic bewiesen mehrmals ihr Geschick im Verstolpern sicherer Vorlagen. Ansonsten brillierte Dirk Heinen im Leverkusener Tor. „Kein einziger Treffer wurde aus dem offenen Spiel erzielt. Sie waren das Ergebnis von Standardsituationen“, bemerkte Daum ganz richtig. Sein Sparmodell konnte er auch mit dieser Analyse nicht zur taktisch geschickten oder gar verteidigungsstarken Elf umzudichten, doch über die Mängel von Real Madrid sagt dies einiges aus.

„Die Mannschaft hat vielleicht noch nicht zu der regelmäßigen Leistung gefunden, die sie eigentlich haben müßte“, muß selbst Heynckes eingestehen. Aber seit mindestens drei Spieltagen sei seine Elf in bester Form. Warum es dennoch keiner gemerkt hat? „Ich habe da sicherlich andere Kriterien als sie“, wies Heynckes solcherlei Kritik kurz und bündig zurück.

„Es ist hart in der spanischen Liga zu arbeiten“, hat Heynckes eingesehen. Und mitgezählt: „10 Trainer in der ersten Liga und 17 in der zweiten, wurden im Laufe der Spielzeit bereits ausgewechselt.“ Doch mit dem Sieg über Leverkusen gerade noch mal von der Liste gesprungen, spricht er wieder davon seinen Vertrag, der auch noch die nächste Saison läuft, komplett zu erfüllen. „Zum ersten Mal seit zehn Jahren steht Real Madrid im Halbfinale“, heftet sich der „Teutonentrainer“ – wie ihn die spanische Presse getauft hat – sogar einen ersten Orden an die Brust.

Wunschgegner fürs Halbfinale hat Heynckes keine, denn „sie wissen nie, wann welche Mannschaft in Form ist“. Seine Mannschaft sei auf jeden Fall aus dem Holz geschnitzt aus dem Europapokalsieger sind. Heynckes träumt wieder vom Erfolg. „Der muß heute immer zählbar sein“, weiß er, „das heißt, daß man was gewinnen muß.“ Reiner Wandler

Bayer 04 Leverkusen: Heinen – Nowotny – Wörns, Happe – Zivkovic, Lehnhoff (51. Rink), Ramelow, Emerson, Beinlich (82. Meijer), Heintze – Kirsten

Zuschauer: 76.000

Tore: 1:0 Karembeu (50.), 2:0 Morientes (57.), 3:0 Hierro (90./Handelfmeter)

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