Kann Radfahren Sünde sein?

■ Gleich zwei Umweltschutzverbände sind angetreten, das Fahrrad ökologisch aufzuwerten. Die Lösungen von Greenpeace und BUND: fast identisch. Pulverbeschichtung ist Pflicht

Unbestritten ist das Fahrrad, nach dem Gebrauch der eigenen Füße und dem eines Tretrollers, das umweltfreundlichste Verkehrsmittel. Kann denn Radfahren trotzdem Sünde sein? Radfahren selbst sicher nicht – sieht man von den Sünden gegen die Straßenverkehrsordnung ab. Aber bei der Herstellung des Fahrrades und der Auswahl seiner Komponenten wird immer noch mehr gesündigt als nötig.

Viele Hersteller unternehmen große Anstrengungen, um die Leistungsfähigkeit des Fahrrades als Verkehrsmittel weiter zu steigern. Immer leichter, schneller, sicherer, komfortabler soll es werden. Bei alledem soll es schick aussehen und preiswert bleiben, damit jede/r sich ein Fahrrad leisten kann. Auch deshalb kommen viele Teile heute aus Fernost. Doch kaum einer fragt nach der Öko-Bilanz des Produkts Fahrrad.

Auch für ein Fahrrad werden Rohstoffe und Energie verbraucht, werden Herstellungsverfahren mit schädlichen Abfallprodukten eingesetzt, und selbst das langlebigste Modell muß eines Tages entsorgt werden. Verglichen mit dem Aufwand zur Herstellung eines Automobils ist das zwar nahezu unbedeutend. Warum aber kann das Fahrrad als ökologisch verträglichstes Verkehrsmittel nicht auch ein ökologisch einwandfrei hergestelltes Produkt sein?

Dies zu beweisen sind sowohl der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) als auch Greenpeace mit eigenen Modellen angetreten. Sie wollen zeigen, wie man es besser machen kann. Dabei kooperieren sie jeweils mit renommierten Herstellern: Die Bremer VSF-Fahrradmanufaktur fertigt das BUND-Modell „Friends“, Villiger in der Schweiz stellt das „Greenpeace“ her.

Die Öko-Punkte beider Räder im einzelnen: Hohe Qualität sichert Langlebigkeit. Langlebigkeit spart Ressourcen und Energie. Dabei hilft eine gesicherte Ersatzteilversorgung, wie sie Villiger garantiert: Für das Greenpeace-Rad will man zehn Jahre lang Verschleißteile wie beispielsweise Nabenachsen, einzelne Ritzel, Kugelringe, Bremsbeläge oder Schutzbleche (auch einzeln, sonst üblicherweise nur im Set) bevorraten. Ein ökologischer Fingerzeig für die Modellpolitik des Komponentenkaisers Shimano mit seinen häufigen Modellwechseln.

Sortenreinheit vereinfacht Recycling. Beide Modelle sind mit Aluminiumfelgen ohne Stahl- oder Messingösen an den Speichenbohrungen ausgestattet, ohne daß deshalb die Felge Funktions- oder Qualitätseinbußen erleidet. Ein höheres Felgenprofil macht es möglich.

Europäische Komponenten brauchen kürzere Transportwege. Die Rahmen, die ansonsten häufig aus Taiwan stammen, werden in Tschechien beziehungsweise in der Schweiz hergestellt. Und es werden, bis auf wirklich einzelne Ausnahmen, Teile aus europäischer Produktion angebaut. Wobei indes in jedem Einzelfall zu bedenken wäre, welche Transportenergie in Wirklichkeit höher ist: Wenn ein Einzelteil mit einem Massentransporter auf dem energetisch günstigen Seeweg von Fernost und anschließend mit dem Lkw von Rotterdam nach Bremen transportiert wird oder vom tiefsten Südwesten Europas per Lkw nach Deutschland gelangt?

Sorgfältige Auswahl von Herstellungsverfahren und Komponenten vermeidet schädliche Abfälle bei Produktion und Entsorgung. Wasserlösliche Lacke und klare Pulverbeschichtung wie beim „Greenpeace“ oder die zweifache Pulverbeschichtung wie beim „Friends“ findet man heute schon öfter an Fahrrädern.

Diese Art des Korrosionsschutzes ist zudem haltbarer als die traditionelle Lackierung. Besonders wichtig ist aber die Vermeidung von Produkten aus der Chlorchemie. Kunststoffteile wie Bowden-Züge, Pedale, Lichtkabel oder Bremsenteile sind frei von PVC oder FCKW, und das Leder des Sattels beim „Greenpeace“ ist pflanzengegerbt. Schadstoffe werden auch bei der Lichttechnik gespart. Das Standlicht (im Rücklicht) wird von einem Kondensator gespeist. Dieser ist, vereinfacht dargestellt, eine kleine Dose voller Eisenspäne. Batterien sind deshalb überflüssig.

Bei dieser grundsätzlichen Übereinstimmung in vielen Punkten hat der ökologisch engagierte Fahrradkäufer die Qual der Wahl. Da könnten vielleicht Ausstattungsunterschiede und Besonderheiten wichtig werden.

„Friends“ gibt es in drei Versionen und in den Farben Grün oder Schwarz. Seine Highlights sind der zuverlässige Nabendynamo BiSy RND II, die zweifache Pulverbeschichtung, sein leichtes und agiles Fahrverhalten und für manche womöglich der Personen- und Fahrradschutzbrief des BUND, den man zum Aufpreis von 49 Mark bekommt und der weltweite Mobilität garantiert.

Ohne ihn kostet das BUND- Rad in der Trekking-Version 1.479 Mark (mit Nabenschaltung „Sachs Super 7“ oder 24-Gang-Kettenschaltung „Sachs Neos“). Als „Sport“ mit 24-Gang-Kettenschaltung „Sachs Neos“, Multifunktionslenker und V-Brakes 1.579 Mark.

„Greenpeace“ ist als City- und Trekking-Version erhältlich, einheitlich in Blau. Bemerkenswert der bei jdem Wetter zuverlässige Speichendynamo FER 2002, der Sattel aus pflanzengegerbtem Leder, das gutmütige und leichte Fahrverhalten, die zehnjährige Ersatzteilgarantie und (nur beim City-Modell) die fast wartungsfreien Rollenbremsen von Shimano. „Greenpeace“ ist zu haben für 1.499 Mark (mit Sieben-Gang-Nabenschaltung oder 3x7-Schaltung von Sachs). Die Räder werden als Damen- und Herrenrad angeboten und über den Fachhandel vertrieben. pbz