■ Bonn apart: Pfarrer, Mörder und die SPD
Eigentlich sind ja immer die Gärtner die Mörder und Politiker trotzdem die unbeliebteste Berufsgruppe, aber die Pfarrer sind im Begriff, ihnen den Rang als Ausbünde von Lasterhaftigkeit und Verderblichkeit abzulaufen. Besonders schlimm ist es, wenn Pfarrer Politiker sind.
Der eine Pfarrer soll seine Frau ermordet haben. Der andere, Pfarrer Fliege, baut einen Autounfall mit einer Frau an seiner Seite, die schon vor dem Unfall seiner Ehefrau nicht ähnlich sah. Pfarrer Hintze gilt nach Roter-Socken- und Angst-Kampagne gegen Rot-Grün und aufgrund so gut wie jeder seiner Äußerungen als größter Zwietrachtsäer in der Republik. Und jetzt tritt auch noch ein Pfarrer als Königsmörder auf den Plan.
Es ist nämlich so: Es gibt schon wieder eine neue Doppelspitze bei der SPD. Pfarrer Ulrich Schneider, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Neunkirchen am Brand (Landkreis Forchheim/Berfranken) hat sich neben Gerhard Schröder um die Kanzlerkandidatur der SPD beworben! Wer uns das nicht glaubt, braucht bloß nach Frankreich zu gehen. Dort weiß es jedes Kind, das Zeitung lesen kann: „Ce n'est pas une galjade pour le carnaval bavarois“, schreibt die Libération. „Un pasteuer de Haute- Franconie (Bavire), Ulrich Schneider, 37 ans, veut defier Helmut Kohl aux législatives du 27 septembre 1998.“ Da verstehe noch einer die SPD.
Pastor Schneider hat zwar noch in keiner Meinungsumfrage Gerhard Schröder überholen können und führt auch gegen Bundeskanzler Kohl nur ganz knapp, will sich aber mitnichten wie Bruder Johannes kampflos abservieren lassen. In dieser Woche erneuerte der aufwieglerische Pfarrer seine Absicht, auf dem Parteitag in Leipzig am 17. April gegen Gerhard Schröder anzutreten. In einem Brief an das SPD-Präsidium warf er den Genossen vor, in seinem Ortsverein Neunkirchen auf die Rücknahme seiner Bereitschaft für die Kanzlerkandidatur hingewirkt zu haben. Aber nicht mit ihm. „Ihr werdet mir bestimmt dankbar sein“, schreibt er, „denn ich rette die SPD vor dem Absinken in die Bedeutungslosigkeit.“
Daran sieht man mal wieder, daß Pfarrer in der Politik nichts zu suchen haben. Als ob die SPD nichts Wichtigeres vor hätte. Markus Franz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen