: SPD wird immer schröderiger
■ Nachdem BDI-Chef Henkel neulich beim Kanzler antichambrierte, müht er sich jetzt um die Sozialdemokraten. Ein Zufall, daß zeitgleich die SPD den Spitzensteuersatz deutlich senken will?
Bonn/Hamburg (dpa) – Sechs Monate vor der Bundestagswahl bewegen sich Sozialdemokraten und Industrie aufeinander zu. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, hat der SPD eine gemeinsame Arbeitsgruppe für ihr Wirtschaftskonzept vorgeschlagen. Zugleich lobte er in gleichlautenden Schreiben an SPD-Chef Oskar Lafontaine und den Kanzlerkandidaten der Partei, Gerhard Schröder, „konstruktive Punkte“ im Programm der Sozialdemokraten, berichtete der Spiegel. Die SPD nahm das Angebot grundsätzlich positiv auf.
Noch vor rund zwei Wochen hatte der BDI gemeinsam mit den drei anderen größten deutschen Wirtschaftsverbänden den Schulterschluß mit Bundeskanzler Helmut Kohl demonstriert.
Eine SPD-Sprecherin sagte am Sonntag, es sei erfreulich, daß der BDI sich nun differenzierter äußere und von seiner bisherigen Pauschalkritik abrücke. Sie ließ indes offen, ob die SPD Henkels Anregung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aus SPD und Industrie aufgreifen werde.
SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping sagte, wenn Henkel nunmehr die Bereitschaft des BDI unterstreiche, „mit einer demokratisch gewählten Regierung zusammenzuarbeiten, so ist dies erstens selbstverständlich und zweitens erstaunlich, daß Henkel glaubt, dies sagen zu müssen“. Zu dem Gesprächsangebot meinte Scharping: „Wir reden ständig miteinander.“
Die SPD näherte sich unterdessen einigen Forderungen aus der Wirtschaft an. Die SPD-Antragskommission billigte am Sonntag bei einer Enthaltung den neuen Entwurf für das Wahlprogramm, der ein klares Bekenntnis zur Aktie enthält. Anträge der Parteilinken auf neue kreditfinanzierte Beschäftigungsprogramme fanden in der Kommission keine Mehrheit. Die SPD zeigte sich für den Fall eines Wahlsieges bereit, den Spitzensteuersatz deutlicher zu senken als bislang im Programmentwurf vorgesehen. Voraussetzung sei allerdings eine solide Finanzbasis, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Rudolf Scharping. Der künftige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement, äußerte sich kritisch zum Plan seiner Partei, den Spitzensteuersatz lediglich auf 49 Prozent zu senken. Er favorisiere den Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen, den Spitzensatz auf 45 Prozent zu drücken, sagte Clement.
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