Kommentar: Später Abgang
■ Mit seinem Rücktritt gelingt Uwe Seeler kein ehrenvoller Abschied vom HSV
Die Worte kommen einem bekannt vor. Mit „ehrverletzenden Angriffen und unwahren Behauptungen“begründet Seeler seinen baldigen Abgang. Ähnlich larmoyant hatten sich im Mai 1997 auch seine Vorstandskollegen Jürgen Engel und Volker Lange verabschiedet. Die der Mauschelei verdächtigten HSV-Führungskräfte fühlten sich als Opfer einer „gesteuerten Diffamierungskampagne“.
Damals wie heute werden die Ursachen in erster Linie bei anderen gesucht. Damals wie heute soll das Lamento von der eigenen Beteiligung ablenken. Dabei gibt es keinen Zweifel, daß in Seelers Amtszeit die üppigsten Pleiten der Vereinsgeschichte fallen: der gescheiterte Ostimmobilien-Deal, der mittlerweile die Justiz beschäftigt, und dubiose Fanartikel-Geschäfte einzelner Vorständler. Der sportliche Absturz kommt hinzu.
Viele Anhänger des Traditiosvereins haben zudem schon seit längerer Zeit den Glauben an ihr einstiges Idol verloren. Allen voran waren die in der Fanvereinigung „Supporters“organisierten HSV-Mitglieder auf Distanz gegangen. Auch sonst besitzt Seeler keinen großen Rückhalt mehr im Verein. Und er ahnt, was ihm nach Saisonende erwartet hätte: eine außerordentliche Mitgliederversammlung, ein Tribunal.
Er, der Ehrenspielführer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, hätte Rechenschaft ablegen müssen. Diese Peinlichkeit und das wahrscheinlich folgende Mißtrauensvotum wollte Seeler sich ersparen. Das ist ihm mit seinem Rücktritt auf Raten gelungen. Fehlgeschlagen ist jedoch sein Versuch, sich so einen ehrenvollen Abgang zu verschaffen. Dazu hätte er schon viel früher Konsequenzen ziehen müssen. Clemens Gerlach
Siehe Seiten 13 und 22
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