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„Die SPD muß sich schon für ihre Bildungspolitik verantworten“

■ Thomas Ehmke, 19 Jahre alt, kandidiert beim Parteitag am Samstag für den Landesvorstand der Bremer SPD

taz: Sind Sie ein Vorzeigejugendlicher in einer alten Partei?

Thomas Ehmke: Vorzeigejugendlicher wäre ich nicht so gerne. Ob ich das bin, darüber gibt es wahrscheinlich verschiedene Meinungen.

Was wird Ihre erste Inititaive im Landesvorstand sein?

Ich will, daß die Partei noch einmal die bildungspolitische Frage bearbeitet. Ich hoffe, daß dabei ein deutliches Bekenntnis zum integrativen Schulsystem herauskommt.

Das heißt, Gesamtschulen und Schulzentren sind für Sie das beste System, trotz der Einwände der Kienbaum-Gutachter, die das für zu kompliziert und zu teuer halten.

Das sagt Kienbaum so nicht. Die sagen nur, daß es zu teuer ist, wenn man Gymnasien und das integrative Schulsystem gleichzeitig haben will.

Bildungspolitik in Bremen wird ja seit Jahrzehnten von der SPD gemacht. Muß man nicht als Jugendlicher die SPD bekämpfen, wenn man sich die Zustände an den Schulen anguckt?

Das ist natürlich das Problem. Wenn man offensiv als Schüler Politik machen will, dann ist natürlich die Bildungsbehörde, die immer noch SPD-besetzt ist, eine Anlaufstelle. Aber man muß sich auch mal überlegen, ob man nicht auch mal beim Finanzsenator Sturm laufen sollte, der ja nun das Geld verteilt. Aber die SPD muß sich schon für ihre Bildungspolitik verantworten.

Auch die Hochschulen in Bremen werden unter SPD-Regie geführt. Die Universität ist stolz darauf, sich von einer sehr sozialwissenschaftlich-politisch ausgerichteten Reform-Uni zu einer eher technisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten Ingenieurs-Ausbildungsstelle gewandelt zu haben. Muß man da gegensteuern?

Die Hochschulpolitik kommt mir in Bremen insgesamt zu kurz, nicht nur bei der SPD, sondern auch in anderen Parteien. Da wird nicht viel drüber geredet, und darum hat man jetzt die Entwicklung, wie sie ist. Das ist keine besonders politisch hinterfragte Entwicklung gewesen. Es ist eine grundsätzliche Frage, wie man mit Hochschule in Bremen umgeht. Das wird eine Aufgabe für die SPD sein, aber auch für die Jusos, sich mehr mit Hochschulen zu beschäftigen.

Die geplante amerikanische Privatuniversität in Grohn, ist das ein guter Plan?

Bildung ist eine staatliche Aufgabe, und da haben private Träger eigentlich nichts drin zu suchen. Genauso wie wir gegen Privatschulen sind, sind wir eben auch gegen Privatunis. Außerdem muß man ganz kritisch hinterfragen, was da tatsächlich die Leistung der Privaten ist und ob es nicht doch wieder darauf hinausläuft, daß der Staat den Privaten etwas aufbaut und es letztlich auch bezahlt.

Müßte man nicht im Interesse der jungen Generation viel stärker an die Besitzstände der Älteren rangehen und Konflikte fahren, etwa mit der ÖTV und der GEW? Schließlich gibt es etwa in Bremen nur acht Lehrer unter 30...

Das Programm ist Umverteilung. Von Vermögen, aber nicht beim öffentlichen Dienst, sondern bei den wirklich Vermögenden, etwa über Vermögenssteuer. Und es heißt auch Umverteilung von Arbeit.

Arbeitszeitverkürzung mit Einkommenseinbußen?

Soweit wie möglich nein, vor allen Dingen nicht in den unteren Einkommensgruppen. Das Geld muß man sich holen von den Leuten, die es wirklich im Überfluß haben. Das müßte vor allem nach einem Politik- und Regierungswechsel in Bonn geschehen.

Aber ist Schröder nicht nur ein jüngerer Kohl?

Schröder wird wahrscheinlich Bundeskanzler. Aber die Wahlen gewinnen wird doch hoffentlich die SPD. Ich erwarte da ein bißchen mehr von der SPD, als daß sie einfach irgendwelche Parolen von Schröder hinterherläuft.

Wie erklären Sie sich denn, daß es so viele Jugendliche gibt, die nicht mehr quasi von selber auf die linke Schiene kommen, sondern bei der Jungen Union mitmachen oder die CDU wählen?

Ich denke, daß die großen linken Parteien das Thema vernachlässigt haben. Wenn andere Verbände bessere Beteiligung haben, dann haben sie sich vielleicht auch mehr drum gekümmert. Man darf nicht erwarten, daß Jugendliche in Zeiten einer Perspektivlosigkeit von alleine auf einen zugerannt kommen.

Sind Sie für eine Jugendquote?

Nein.

Streben Sie ein Mandat in der Bürgerschaft an?

Das ist zur Zeit nicht geplant, auch weil ich eigentlich nicht in Bremen studieren wollte.

Interview: Joachim Fahrun

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