: Gesundheitsschutz mit feuchtem Lappen
Rund 60.000 Wohnungen, in denen früher die Angehörigen der US Army wohnten, sind mit krebserregenden Stoffen verseucht. Heute wird im Umweltbundesamt über ein Meßverfahren diskutiert ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt/Main (taz) – „Öfter mal feucht den Boden wischen“, empfiehlt Frank Junker seinen MieterInnen. Er ist Geschäftsführer der kommunalen Holding in Frankfurt am Main, die 1.600 Wohnungen in ehemaligen US Housing Areas gekauft hat. Mit feuchten Lappen will Junker ein schweres Gesundheitsproblem wegwischen: Bis zu 10.000 Milligramm krebserzeugende aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) pro Kilogramm Hausstaub hat das Umweltlabor Arguk im Parkettboden der Wohnungen gemessen. Ein gigantischer Wert angesichts der Tatsache, daß Erdreich mit einer Belastung von „nur“ 150 mg/kg in Hessen als Sondermüll entsorgt werden muß.
Ärzte haben im Urin von Kindern aus Nichtraucherhaushalten, die in den betroffenen Wohnungen leben, PAK-Konzentrationen nachgewiesen wie bei erwachsenen Rauchern. Die Betroffenen, die sich zur Mieterinitiative „Ideal“ zusammengeschlossen haben, empfinden Junkers Ratschlag deshalb als „nackten Hohn“. Sie fordern die umgehende Sanierung aller ehemaligen US-Wohnungen.
Alleine in Frankfurt geht es um knapp 3.000 Wohnungen der städtischen Holding und privater Eigentümer. Bundesweit sind etwa 60.000 Ex-US-Wohnungen extrem verseucht: durch die Schadstoffe im Parkettbodenkleber und durch Rückstände von Insektengasen (DDT), mit denen die Wohnungen zu Zeiten der US-Amerikaner regelmäßig besprüht wurden. Auch die Wohnung von Roland Krollikowsky in Fürth ist „in diesem Zustand unbewohnbar“. Kollikowski hat in Fürth und Nürnberg die „Initiative gegen Wohngifte“ gegründet. Für heute ruft die Initiative bundesweit zu Protesten gegen die Untätigkeit der kommunalen Vermietungs- und Verwaltungsgesellschaften und die „Ignoranz“ von Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) auf. Als der eigentliche Erbe der Housing Areas der alliierten Streitkräfte in Deutschland ist Waigel nämlich der Verkäufer aller Wohnungen. Bettlaken mit aufgemalten Parolen werden die Betroffenen überall in der Republik aus den Fenstern hängen. Und in Nürnberg soll eine Demonstration stattfinden.
Anlaß für die Protestaktionen ist eine Expertenrunde, die heute im Umweltbundesamt in Berlin tagt und zu der auch Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums geladen sind. Ziel der Verhandlungen ist die Einigung auf ein standardisiertes Meßverfahren für PAKs. Bislang nämlich wurden die Meßergebnisse diverser Umweltlaboratorien mit dem Verweis auf das nicht existierende allgemeingültige Meßverfahren immer zurückgewiesen. Auf das Ergebnis will auch das Bundesbauministerium warten. Einige tausend Beamte sollen nämlich von Bonn in ehemalige Wohnungen der US- Streitkräfte in Berlin umziehen.
Doch viele MieterInnen in Frankfurt wollten auf eine Einigung in Berlin nicht warten. Sie ziehen aus den Housing Areas wieder aus. Andere überweisen weniger Miete.
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