: FU-Bibliothek wird eingemottet
■ Neue Bücher gibt es künftig nur noch in den auf 100 Standorte zersplitterten Fachbibliotheken. Welche Titel die Benutzer dann noch nach Hause mitnehmen können, steht in den Sternen
Den Beschluß faßte der Akademische Senat der Freien Universität (FU) kurz vor Mitternacht, nach nur halbstündiger Diskussion. Ermüdet von einer siebenstündigen Debatte über den neuen Zuschnitt der Fachbereiche, trafen die SenatorInnen am späten Dienstagabend eine für Forschung und Lehre weit wichtigere Entscheidung: Als erste deutsche Universität wird die FU künftig auf ihre zentrale Universitätsbibliothek (UB) verzichten. Sie soll zwar weiterhin ihre Altbestände verwalten und die Arbeit der rund 100 Fachbibliotheken koordinieren, aber keine neuen Bücher mehr anschaffen.
Bislang gab es an der FU alle wichtigeren Bücher in mindestens zwei Exemplaren: Eines stand in der Zentralbibliothek für die Ausleihe bereit, ein zweites war in der jeweiligen Fachbibliothek jederzeit verfügbar. Künftig wird es neue Literatur nur noch in den Fachbibliotheken geben, von denen die meisten keine Bücher außer Haus verleihen. Als Kompensation für den Wegfall der Zentralbibliothek sollen die Bibliotheksbereiche, zu denen die Fachbibliotheken organisatorisch, nicht aber räumlich fusionieren, „in der Regel einen Betrag von 50 Mark pro Studierenden für die Beschaffung von ausleihbarer Literatur vorsehen“. Ob sie sich daran halten, bleibt den Bibliotheksbereichen aber ebenso selbst überlassen wie die Entscheidung, ob sie für die Ausleihe Zweitexemplare anschaffen. Die Anschaffung solcher Mehrfachexemplare muß aber zentral genehmigt werden.
Die Studierenden müßten also häufiger in den Fachbibliotheken und seltener zu Hause arbeiten. Das Problem dabei sind aber fehlende Leseplätze und zu kurze Öffnungszeiten. UB-Direktor Naumann verspricht zwar, das Aufsichtspersonal vom notwendigen Abbau möglichst weitgehend zu verschonen und auf diese Weise die Öffnungszeiten zu halten. An eine Ausweitung ist angesichts der personalaufwendigen Zersplitterung in 100 Einzelbibliotheken aber nicht zu denken. Die Bibliotheksbereiche auch räumlich zusammenzuführen und auf diese Weise längere Öffnungszeiten und zusätzliche Leseplätze zu ermöglichen würde aber Bauinvestitionen voraussetzen. Konkret geplant ist das vorerst nur für die Sprachwissenschaften, die im Bereich der Rostlaube einen Neubau mit 900 Leseplätzen erhalten sollen.
Leichter verschmerzen ließe sich die Aufsplitterung, wenn die Bibliotheken elektronisch vernetzt wären. Bei der Online-Katalogisierung ist Berlin jedoch extrem rückständig, an der FU sind bislang nur die Bestände seit 1990 erfaßt. Immerhin sollen die Benutzer in rund einem Jahr den elektronischen Katalog in den Bibliotheken wie auch am heimischen Computer abrufen können.
Der amtierende FU-Präsident Peter Gaehtgens rechtfertigte die neue Struktur mit dem Argument, angesichts der Finanznot könne die FU „keine Bonbons“ mehr verteilen. „Die Vorzüglichkeit der FU-Bibliotheken“ könne die FU „nicht mehr wie in vergangenen Jahren aufrechterhalten“. Mit dem jetzt beschlossenen Modell werde aber ein „ordentliches Bibliothekssystem“ erhalten. Für die Zukunft will Gaehtgens auch Gebühren für außeruniversitäre Nutzer nicht ausschließen. UB-Direktor Naumann verweist darauf, daß der Erwerbungsetat mit rund zehn Millionen Mark jährlich weit höher liegt als an vergleichbaren westdeutschen Hochschulen. Ralph Bollmann
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